Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Deutsches Verwaltungsrecht. 213 
Gundsatz. Er selbst soll handeln und sich bewegen innerhalb der Grenzen der 
Vemunft und des Rechts.“ Und Stahlcharakterisierte den Rechts staat, der die „Losung“ 
sein sollte: „Er soll die Bahnen und Grenzen seiner Wirksamkeit wie die freie Sphäre seiner Bürger 
in der Weise des Rechtes genau bestimmen und unverbrüchlich sichem“ (Rechts- und 
Staatslehre (2) 2, 2, Heidelberg 1846, 105) — eine Formulierung dessen, was erstrebt wurde, 
die auch Stahls Gegner anerkannten (Gueist 33; Bähr 1). Ebenso wie der Privatverkehr durch 
allseitig bindende Rechtssätze geregelt und die Beobachtung dieser durch die unabhängige Recht- 
sprechung der ordentlichen Gerichte gesichert war, sollten fermerhin auch die Beziehungen der 
Verwaltung zu den Untertanen durch beiderseitig bindende Rechtssätze bestimmt werden, der 
Staat sollte sich auch für die Ausübung seiner hoheitlichen Funktionen unter eine Rechtsordnung 
stellen. 
Ein erster Schritt dem Ideale entgegen war getan mit dem Ubergange der Staaten zur 
konstitutionellen Verfassung. Diese schuf in dem formellen Gesetze eine staatliche Willenserklärung, 
die über aller Verwaltung stand. Normen, die fernerhin im Wege der Gesetzgebung, d. h. unter 
Mitwirkung der Volksvertretung, erlassen wurden, banden, wenn sie sich auf die Verwaltung 
bezogen, diese ebenso wie die Untertanen; auch der Landesherr konnte Abweichendes von ihnen 
nicht anordnen. Wollte man also die Verwaltung unter das Recht stellen, so war zunächst nötig, 
ihre Tätigkeit in möglichst weitem Umfange durch Gesetze zu normieren, was denn auch in dauernd 
steigendem Maße erfolgt ist. Allein mit dem Erlasse von Gesetzen für die Verwaltung (Ver- 
waltungsgesetzen) war das Gebäude des Rechtsstaates noch nicht vollendet. Es war 
noch die Beobachtung dieser Gesetze durch die Verwaltung zu sichem und den Untertanen ein 
Rechtsschutz zu gewähren gegen rechtswidriges Vorgehen der Verwaltungsorgane. Auch diese 
Aufgabe ist seit den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts gelöst, und zwar durch 
die Schaffung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, einer Rechtspflege, die in der 
Verwaltung von Verwaltungsbehörden ebenso unabhängig ausgeübt wird wie die, zu deren 
ÜUbung die ordentlichen Gerichte berufen sind. So gibt es im modernen Rechtsstaate im Gegen- 
satze zum Polizeistaate ein wirkliches Verwaltungsrecht, dem auch die Verwaltung untersteht, 
und eine unabhängige Rechtsprechung im Gebiete dieses öffentlichen Rechtes, die rechtswidrige 
Anordnungen der Obrigkeit für ungültig erklären kann. 
Die Möglichkeit, einen Ersatzanspruch gegen den Staat wegen Verletzung von Privatrechten 
durch obrigkeitliche Eingriffe bei den Zivilgerichten geltend zu machen, besteht auch im Rechts- 
staate der Gegenwart. Nur ist die Rechtsgrundlage dieser Klage eine andere geworden. Die 
Fiskustheorie, die sie im Polizeistaate begründet hatte, ist heute nur noch vereinzelt anerkannt 
(bes. Hatschek a. a. O. und Art. „Fiskus“ in Stengel-Fleischmanns Wörterb.). Die herrschende Auf- 
fassung verwirft den von dieser Theorie erfundenen Dualismus von Staat und Fiskus; sie geht 
dahin, daß der Fiskus nicht eine vom Staate getrennte Person, sondern der Staat selbst, von 
einer bestimmten Seite betrachtet, ist — nämlich als Subjekt von vermögensrechtlichen Rechten 
und Pflichten (Mayer 1 S. 54, 136, 142; Jellinek, System der subj. öff. R. [2] 60). Die Zu- 
ständigkeit der Zivilgerichte für vermögensrechtliche Klagen gegen den Staat kann nicht mehr 
schlechthin angenommen und damit begründet werden, daß nicht der Staat als solcher, sondern 
der neben ihm herlaufende Privatmann Fiskus verklagt werde; auch in den sog. fiskalischen 
Rechtsverhältnissen steht dem Untertanen nur der einheitlich ausgefaßte Staat gegenüber (Hänel, 
Staatsrecht 1, 161 f.). Sie ist nach § 13 GVG. prinzipiell nur gegeben, wenn es sich um eine 
bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen dem einzelnen und dem Staate handelt, und auch für 
diese nur, sofern sie nicht gesetzlich den Venvaltungsbehörden oder -gerichten überwiesen ist. 
„Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten“ aber sind nach der Wissenschaft und dem Landesrechte — das 
GV. bestimmt den Begriff nicht näher, sondern setzt ihn voraus — Streitigkeiten aus einem 
Rechtsverhältnisse des Privatrechtes. Zu den privatrechtlichen Verhältnissen gehören nun in erster 
Linie allerdings die vermögensrechtlichen; allein darum sind doch nicht alle vermögensrechtlichen 
Berhältnisse des Staates privatrechtlicher Natur. Er kann vermögensrechtliche Beziehungen, 
in die er zu einzelnen tritt, auch öffentlichrechtlich gestalten, indem er in ihnen den einzelnen 
nicht als gleichberechtigtes Subiekt, sondern in seiner Machtstellung gegenübertritt (z. B. bei 
Besteuerung Gebührenerhebung Enteignung, pekuniärer Ausstattung der Amter). Und dann 
findet auf solche Beziehungen das materielle Privatrecht keine Anwendung, und die Zuständig-
	        
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