Deutsches Verwaltungsrecht. 215
organisation die Senate; allerdings besteht eine allgemeine Präsumtion für die Verwaltungs-
kompetenz des Senates, wie sie in den monarchistischen Einzelstaaten zugunsten des Landesherrn
gilt, nur in Lübeck (Verf. Art. 18); allein auch in Hamburg und Bremen sind die Senate im
Wege der ausdrücklichen Uberweisung der einzelnen Verwaltungszweige tatsächlich zu den obersten
Trägern der gesamten Verwaltung gemacht worden.
Zu den mittelbaren Staatsorganen gehören alle, die ihre Organstellung nicht unmittelbar
auf Grund der Verfassung, sondern auf Grund eines von einem Staatsorgane ausgehenden,
individuell an sie gerichteten Auftrages haben. Alle mittelbaren Staatsorgane sind einem un-
mittelbaren Organe untergeordnet und verantwortlich. Alle entwickeln sie eine abgeleitete, keines
von ihnen eine Tätigkeit kraft eigenen Rechtes. Das geltende Recht kennt zwei Gruppen solcher
mittelbarer Staatsorgane: die Träger der staatlichen Amter, die einzeln oder zu mehreren ver-
bunden die staatlichen Behörden bilden, und die öffentlichen Verbände, welche gesetzlich zur
Verrichtung staatlicher Aufgaben berufen sind (Selbstverwaltungskörper, oben § 2 1 1). Natür-
lich können diese Verbände auch wieder nur handeln durch physische Personen, die sie zu ihren
Organen bestellen. So sind, ebenso wie im Staate, auch in diesen Verbänden Amter und Be-
hörden gebildet, deren Träger die eigentliche Verwaltungstätigkeit entwickeln, und die folgenden
begrifflichen Bemerkungen gelten ebenso wie für die Amter und Behörden des Staates auch
für die der öffentlichen Verbände
II. Amt und Behörde. — 1. Unter einem Amte versteht man einen durch das öffent-
liche Recht begrenzten Kreis von Geschäften, dessen Wahrnehmung im Namen des Staates
einer einzelnen physischen Person kraft öffentlichen Auftrages obliegt. Der Begriff des Amtes
wird durch zwei Momente bestimmt: Es ist ein bestimmter Kreis staatlicher Geschäfte. Darin
liegt: es ist eine obkjektive Institution, kein Rechtssubjekt, dem als solchem Befugnisse zustehen;
es ist unabhängig von der Person seines Trägers; das Amt bleibt dasselbe, auch wenn der Personal-
bestand sich ändert. Ein Kreis staatlicher Geschäfte ist aber nur dann ein Amt, wenn er durch
öffentlichen Auftrag einer Person zur Verrichtung übertragen wird. Steht jemandem die Aus-
übung öffentlicher Befugnisse auf Grund eines individuellen Rechtes zu, das er durch Erbfolge
oder mit einem Gute erworben hat, wie dem Landesherrn oder dem Besitzer eines Patronats-
gutes, so ist der Begriff des Amtes nicht gegeben. Welcher Natur die staatlichen Funktionen und
Aufgaben sind, die im Amte übertragen werden, ist für den Begriff des Amtes gleichgültig; ins-
besondere ist nicht notwendig, daß diese Funktionen in der Ausübung staatlicher Hoheitsrechte
bestehen, und daß mit dem Amte eine Amtsgewalt, d. h. das Recht verbunden ist, nötigenfalls
den Gehorsam der Amtsuntergebenen durch Anwendung von Zwangsmitteln zu erzwingen.
Auch Geschäfte ohne obrigkeitlichen Charakter, wie die Verrichtung der Aufgaben, die sich der
Staat auf dem Gebiete der Technik und Wissenschaft stellt, können Amtskreise bilden. Die Amter
sind entweder Amter des Reiches (Reichsämter) oder der Einzelstaaten (gewöhnlich schlechthin
Staatsämter genannt) oder der öffentlichen Verbände (Kommunalämter, Innungsämter,
Deichverbandsämter usw.), je nachdem sie Geschäfte des Reiches, der Einzelstaaten oder der
Selbstverwaltungskörper umfassen. Die Amter der öffentlichen Verbände werden im Gegen-
satze zu den Reichs- und Staatsämtern, die man dann unter dem Namen unmittelbare
Staatsämter zusammenfaßt, auch als mittelbare Staatsämter bezeichnet; zu welcher
Bezeichnung der Gedankengang führt, daß die Träger dieser Amter, indem sie unmittelbar
Geschäfte der öffentlichen Verbände besorgen, mittelbar staatliche Geschäfte verrichten, da die
Aufgaben der öffentlichen Verbände Staatsaufgaben sind. Eine weitere Unterscheidung der
Amter ist die in Berufsämter und Ehrenämter. Unter einem Berufsamte versteht
man gewöhnlich ein Amt, das den Lebensberuf (Erwerbszweig) seines Trägers ausmacht, dem
dieser seine ganze Arbeitskraft widmet, wogegen er einen Anspruch auf Alimentation gegen
den Staat oder den öffentlichen Verband hat. Unter einem Ehrenamte dagegen wird ein Amt
verstanden, das ohne Anspruch auf Entgelt für die Arbeitsleistung, lediglich um der Ehre willen
übernommen wird, weshalb ihm denn auch charakteristisch sein soll, daß es nicht die ganze Arbeits-
kraft seines Trägers in Anspruch nimmt. Allein diese Unterscheidung entbehrt der erforderlichen
1 Fölsche, Das Ehrenamt in Preußen und im Reiche, Breslau 1911; Preuß, Art.
„Ehrenamt“ in Stengel-Fleischmanns BWörterbvuch.