220 Paul Schoen.
die französische Gesetzgebung gewidmet). — Für Bayern: Rosenthal, Gesch. des Gerichts-
wesens u. der Berwaltungsorganisation Bayerns, 2 Bde., Würzburg 1889, 1906; v. Seydel,
Bayerisches St. R. (2) 1 S. 18 ff., 107 ff., 118 ff. Für Württemberg: Wintterlin, Gesch.
der Behördenorganisation in Württemberg, 2 Bde., Stuttgart 1902/06. Für Baden: P. Lenel,
Badens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung unter Markgraf Karl Friedrich 1738—1803,
Karlsruhe 1913. Für Hannover: E. v. Meyer, Hannoversche Verfassungs= und Ver-
waltungsgeschichte, 2 Bde., Leipzig 1898/99.
§ 6. Die Entwickelung bis zum Ausgange des 18. Jahrhunderts.
I. Bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts hinein war die Entwickelung der Behörden-
organisation in den deutschen Territorien im wesentlichen eine gleichheitliche. Im Mittelalter
konzentrierte sich überall die Regierung des Landes, Verwaltung und Gerichtsbarkeit ungeteilt
umfassend, im Landesherrn. Die unwichtigeren Angelegenheiten, die an ihn gelangten, ließ
er durch seine aus den Ministerialen hervorgegangenen Hofbeamten besorgen. In wichtigeren
entschied er selbst nach Anhörung seiner „Räte“, zu denen Hofbeamte wie auch freie Herren
und Beamte aus dem Lande gehörten, die im Bedarfsfalle einberufen wurden. Es gab keine
organisierte Zentralbehörde. Hofverwaltung und Landesverwaltung waren in der Zentrale
nicht getrennt. Für die einzelnen Teile des Territoriums wurden vom Landesherrn Einzel-
beamte angestellt, die Vögte oder Amtmänner, auch Pfleger (Bayern) oder
Drosten (Kleve, Minden) hießen und richterliche wie Verwaltungsfunktionen in ihren Amts-
bezirken auszuüben hatten. In größeren Territorien (Bayern, Brandenburg) wurden auch noch
höhere landesherrliche Beamte für weitere Bezirke bestellt, die als ständige Vertreter des Landes-
herrn (vicedomini) zur Auslübung aller Hoheitsrechte und Kontrolle der Lokalbeamten ihres
Bezirkes berufen waren; sie wurden als Land-, Obervögte, Landeshaupt-
männer oder Vitztume (Bayern) bezeichnet. In weitem Umfange war die Hand-
habung der Lokalverwaltung jedoch ausgeschlossen durch die Rechte der Städte und der Ritter-
schaft. Die Städte besaßen meist eigene Gerichtsbarkeit und Polizei. Der Ritterschaft aber war
es seit dem 13. Jahrhundert in großen Teilen Deutschlands gelungen, Hoheitsrechte über weite
Gebiete des platten Landes von den Landesherren zu erwerben oder an sich zu reißen; in diesen
trat an die Stelle der landesherrlichen eine patrimoniale Gerichtsbarkeit und Polizei, die höchstens
der Kontrolle der landesherrlichen Beamten unterstellt blieb. Im weitesten Umfange vollzog
sich dieser Ubergang der Hoheitsrechte über die Dörfer auf die adligen Rittergutebesitzer in den
vorzüglich durch Eroberung gewonnenen Gebieten östlich der Elbe, in denen die Landesherren
bei der Kolonisierung des Landes aus militärischen Rücksichten (um sich ein größeres Reiterheer
zu sichern: Bornhak, Pr. St. u. RG. 2) Rittergüter in viel größerer Anzahl und von viel
größerem Umfange geschaffen hatten, als sie in West= und Süddeutschland vorhanden waren.
In der Mark Brandenburg kam es bei der völligen Anarchie unter der bayrischen und luxem-
burgischen Herrschaft schließlich dahin, daß die landesherrliche Lokalverwaltung nur noch in den
Domänenbezirken bestand, in denen der Landesherr gleichzeitig Gutsherr war.
Die dauernde Vermehrung der Staatsgeschäfte drängle seit dem Ende des 15. Jahrhunderts
auf ständige Zentralbehörden hin, die einen bestimmten Amtssitz hatten und auch in
Abwesenheit des Landesherrn funktionieren konnten. Im Laufe des 16. Jahrhunderts wurden
in zahlreichen deutschen Territorien in Anlehnung an die neuen österreichischen Verwaltungs-
einrichtungen Maximilians I. und Ferdinands I., die wieder burgundischen und französischen
Organisationen nachgebildet waren, kollegialische Zentralbehörden geschaffen. Gewöhnlich
wurde für die Rechtsprechung ein Hofgericht (Kammergericht) und neben diesem
eine höchste Verwaltungsbehörde bestellt, die Kanzlei (Hessen), Hofrat (Bayern) oder
Oberrat (Württemberg), seit dem 17. Jahrhundert gewöhnlich Regierung genannt
wurde. Die Hofgerichte waren gewöhnlich teils mit adligen, teils mit gelehrten Räten, die
Kanzleien nur mit Juristen besetzt. Auch die Kanzleien übten überall landesherrliche Gerichts-
barkeit aus und konkurrierten dabei mit den Hofgerichten; vermöge ihrer Zusammensetzung
waren sie sogar geeigneter als diese, das römische Recht zu pflegen, und so gelangte mit der fort-
schreitenden Rezeption des römischen Rechtes da, wo die Hofgerichte nicht (wie z. B. in Branden-
burg, Pommern, Preußen, Braunschweig-Lüneburg) den Charakter von gelehrten Gerichten