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Revision der drei letztgenannten Gesetze wie des Verwaltungsgerichtsgesetzes machte sich jedoch
erforderlich, als man die durch sie geschaffenen neuen Verwaltungseinrichtungen der östlichen
Provinzen auch in den beiden westlichen und den neuen Provinzen einführen wollte. Materiell
wurde bei dieser Revision nur die eine wichtige Anderung getroffen, daß in der Bezirksinstanz
die Bezirksräte und die Bezirksverwaltungsgerichte zu einer Behörde, dem Bezirks-
ausschuß, zusammengezogen wurden. Im übrigen war für sie der Gedanke leitend, daß
alle Vorschriften über Organisation und Verfahren iu einem Gesetze zusammen gegeben
werden sollten. Daher wurde der größte Teil des Verwaltungsgerichtsgesetzes mit dem
Organisationsgesetze zusammengearbeitet. Jenes wurde bis auf den vom Oberverwaltungs-
gerichte handelnden Titel IV aufgehoben. Das erweiterte Organisationsgesetz, welches jetzt auch
die Vorschriften über das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten enthielt, erging als Gesetz
über die allgemeine Landesverwaltung am 30. 7. 1883 1. Schon am 1. 8. 1883 folgte ein neues
Zuständigkeitsgesetz. Und beide Gesetze wurden dann in den Jahren 1884—1889 Hand in
Hand mit der Ausdehnung der östlichen Kreis- und Provinzialordnung im ganzen Staate in
Kraft gesetzt.
Von den Mittelstaaten haben Baden (G. v. 5. 10. 1863), Sachsen (2 G. v. 21.4. 1873 und
G. v. 19. 7. 1900), Hessen (G. v. 12. 6G. 1874) und Württemberg (G. v. 28. 7. 1906) den Gedanken
der Beteiligung von Laien an der Staatsverwaltung ebenso, wenn auch nicht in demselben Um-
fange wie Preußen, verwirklicht, indem sie auf mehreren oder doch auf einer Verwaltungs-
stufe aus Berufs- und Ehrenbeamten zusammengesetzte Kollegien geschaffen haben, die als
staatliche Verwaltungs= zum Teil auch als Kommunalbehörden und als Verwaltungsgenchte
funktionieren (Baden und Württemberg: Bezirksräte, Sachsen: Kreis= und Bezirksausschüsse,
Hessen: Provinzial- und Kreisausschüsse; vgl. unten S. 234, 236). In Bayem dagegen
sind solche gemischten Kollegien für die Staatsverwaltung bisher noch nicht gebildet, und auch
in den Kleinstaaten finden sie sich nur vereinzelt (vgl. unten S. 236).
IV. Das Reich hat, da es meist darauf beschränkt ist, die Verwaltung der Einzelstaaten zu
kontrollieren, vorzüglich Zentralbehörden errichtet, Mittel- und Unterbehörden dagegen nur
für die wenigen einzelnen Verwaltungszweige, die sich in seiner eigenen und unmittelbaren
Verwaltung befinden, wie Post, Telegraphie, Marine, Konsulatswesen. In Elsaß-
Lothringen ist im wesentlichen die französische Behördenorganisation beibehalten.
2. Die Behördenorganisation der Gegenwart.
Literatur zu den ## 8, 9, 10: Loening, ## 12—15, 18—22; Meyer- Ansch 169
## 08, 115—118. Speziell Hür Preu en: v. Roenne-Zorn, Preuß. St. R. 2 #5 5# 71 ff.;
Bornhak, Preuß. St. R. 2 # 96 ff.; Schulze, Preuß. St. N. 1 238 ff.; für Bayern:
v. Seydel, Bayer. St. K. 1 & 114, 126—128; fur die übrigen Staaten die Be-
arbeitungen ihres Staatsrechtes in „Das öffentliche Recht der Ges enwart“ und, soweit hche giet
noch nicht erschienen, in Marquarbsens Handb. des öffentlichen 5 E## auch die Art. über
fassung u. Verwaltung der einzelnen Staaten in v. Stengel-Fleischmuanns Weäörterb.
§ 8. Die zentralbehörden.
I. Die Ministerien. An der Spitze der Staatsverwaltung stehen, abgesehen von
wenigen Kleinstaaten (Schaumburg-Lippe, Reuß ä. L., Waldeck), in den monarchischen deutschen
Einzelstaaten Ministerien, in denen nach Anweisung und unter alleiniger Verantwortlichkeit des
Chefs, Ministers, gearbeitet wird (Bureausystem). Über die doppelte Rechtsstellung des Ministers
im konstitutionellen Staate siehe im staatsrechtlichen Teile dieser Encyklopädie oben S. 126. In den
größeren Staaten gibt es mehrere selbständige Ministerien, deren Kompetenz sich auf den ganzen
Staat erstreckt und sachlich abgegrenzt ist (Realsystem); in Preußen z. B. zurzeit 9 (zu den 5
alten ss. oben S. 199, 2281, sind durch Loslösung aus dem Ministerium des Jnnem allmählich hinzu-
: Im folgenden zitiert: LBG.; Kommentare zum LG. bes. von: v. Brauchitsch, Fried-
richs, Stier-Somlo.
In folgenden zitiert: 836.; Kommentare zum Z6. bes. von: v. Brauchitsch und
Friedrichs.