Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Deutsches Verwaltungsrecht. 235 
Verwaltungsmaßnahmen zu ergreifen und die Tätigkeit der ihnen unterstellten staatlichen 
Organe und Gemeinden zu beaufsichtigen. In den Mittel- und Kleinstaaten gibt es durchweg 
nur eine solche Unterbehörde; in Preußen dagegen, wo die Kreise, die den untersten admini- 
strativen Bezirken der anderen Staaten entsprechen, durchschnittlich größer und bevölkerter 
sind als diese, bestehen in den meisten Provinzen zwei Reihen von Unterbehörden, die Kreis- 
behörden und die Behörden für die örtliche Polizeiverwaltung auf dem Lande. 
A. Preußen. I. Alle preußischen Regierungsbezirke sind für die Verwaltung zunächst 
in Kreise — in den hohenzollernschen Landen Oberämter genannt — eingeteilt (V. v. 30. 4. 1815 
S§ 35 f.; LVG. F 1), die ihrer Zusammensetzung nach entweder Land= oder Stadtkreise sind. 
Ein Stadtkreis ist ein Kreis, der lediglich aus einer Stadt besteht; nur größere Städte sind be- 
sugt, für sich einen eigenen Kreis zu bilden (vgl. oben S. 229 II und jetzt Kr O. 1872 § 4). Alle 
anderen Kreise, ohne Rücksicht darauf, ob sie außer dem flachen Lande auch Städte umfassen 
oder nicht, heißen Landkreise. 
II. Die Behörden für die allgemeine Landesverwaltung in den Landkreisen sind 
der Landrat und der Kreisausschuß. Der eigentliche Träger jener ist der Landrat als Einzel- 
beamter. „Sein Geschäftskreis umfaßt alle Gegenstände der inneren Verwaltung, insoweit als 
solche in besonderer Beziehung auf den ihm anvertrauten Kreis stehen“, und weiter die zahlreichen 
einzelnen Angelegenheiten, welche ihm durch besondere Gesetze zugewiesene sind. Er hat ins- 
besondere „die gesamte Polizeiverwaltung im Kreise und in dessen einzelnen Amtsbezirken, Ge- 
meinden und Gutsbezirken zu überwachen". Er ist das Organ der Regierung und hat deren An- 
weisungen zu vollziehen. Der Landrat wird vom Könige ernannt. Jedoch ist der Kreistag befugt, 
für die Besetzung des erledigten Landratsamtes Vorschläge zu machen, an die der König aller- 
dings nicht gebunden ist. Die Vorschläge dürfen sich nur auf Personen richten, die die allgemeinen 
Voraussetzungen für die Bekleidung des Amtes erfüllen und überdies seit mindestens einem 
Jahre dem Kreise durch Grundbesitz oder Wohnsitz angehören. Der Kreisausschuß, der sowohl 
Staatsorgan wie Organ des Kreisverbandes ist, besteht unter dem Vorsitze des Landrates aus 
sechs vom Kreistage gewählten Kreiseingesessenen, die ehrenamtlich fungieren. Als Staats- 
organ ist er Verwaltungsbehörde wie auch Verwaltungsgericht erster Instanz. Er erledigt seine 
Geschäfte kollegialisch, und zwar als Verwaltungsbehörde in dem Beschlußverfahren (oben 
S. 219). Die Zuständigkeit des Kreisausschusses umfaßt: Beschlußfassung über eine Reihe von 
Angelegenheiten, die ihm durch Gesetz zugewiesen sind; Erstattung von Gutachten auf Auf- 
forderung der Staatsbehörden; Erteilung der Zustimmung zu bestimmten Maßnahmen des 
Landrates (LVG. #142, Landgem O. östl. Prov. § 84 2). JIu den Stadtkreisen werden 
die Befugnisse des Landrates, soweit durch Gesetz nicht anderes bestimmt ist, von der Polizei- 
behörde wahrgenommen; an die Stelle des Kreisausschusses tritt teils der Bezirksausschuß, 
teils ein aus dem Bürgermeister und Magistratsmitgliedern bestehender Stadtausschuß (LVG. 
55– 37 ff.. · 
III. Die Landkreise in den alten Provinzen und Schleswig-Hol— 
stein sind weiter, soweit sie Landgemeinden und Gutsbezirke umfassen, für die Verwaltung 
der Ortspolizei in Amtsbezirke (Westfalen: Amter; Rheinprovinz: Bürgermeistereien; Posen: 
Polizeidistrikte) eingeteilt, deren jeder aus mehreren Gemeinden und Gutsbezirken oder auch 
nur aus einer großen Gemeinde bzw. einem großen Gutsbezirke gebildet wird. Die Behörde, 
welche die Ortspolizei im Amtsbezirke zu verwalten hat, ist der Amtsvorsteher (Amtmann, 
Landbürgermeister, Distriktskommissar), der, sofern der Amtsbezirk nicht nur aus einer Ge- 
meinde oder einem Gutsbezirke besteht, in welchem Falle der Gemeinde- bzw. Gutsvorsteher 
zugleich Amtsvorsteher ist, vom Oberpräsidenten aus den Amtsangehörigen auf Vorschlag 
des Kreistages auf sechs Jahre ermnannt wird. Das Amt des Amtsvorstehers ist ein Ehrenamt; 
nur wenn sich im Amtsbezirke keine zum Amtsvorsteher geeignete Person findet und der Ober- 
präsident dann einen sog. „kommissarischen Amtsvorsteher“ bestellt, erhält dieser eine Remuneration 
als Entgelt für seine Mühewaltung. Auch dem Amtsvorsteher steht ein kollegialisches Organ zur 
Seite, der Amtsausschuß, der aus Vertretern sämtlicher zum Amtsbezirke gehörigen Gemeinden 
und Gutsbezirke besteht. Dieses wird jedoch nur tätig beim Erlasse von Polizeiverordnungen, 
u dem der Amtsvorsteher der Zustimmung des Ausschusses bedarf. In Hannover und
	        
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