Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

236 Paul Schoen. 
Hessen-Nassau sind die Kreise nicht in weitere staatliche Verwaltungsbezirke eingeteilt; 
die Ortspolizei auf dem flachen Lande wird dort von den Landräten, hier von den Gemeinde- 
vorstehern ausgeübt. In den Städten werden überall die Funktionen des Amtsvorstehers 
regelmäßig von den Organen der Stadt wahrgenommen, nur in größeren von ihnen ist ausnahms- 
weise gemäß gesetzlicher Ermächtigung (Pol G. v. 11. 3. 1850 § 2) für die Ortspolizei eine besondere 
staatliche Behörde (Kgl. Polizeidirektion oder Polizeipräsidium genannt) errichtet; vgl. unten §& 16. 
B. In den übrigen Staaten und Elsaß-Lothringen umfassen die untersten staatlichen 
Verwaltungsbezirke (in Bayern: Distrikte; Württemberg: Oberämter; Kgr. Sachsen: Amts- 
hauptmannschaften; Oldenburg: Amter; Baden, Sachsen-Weimar: Bezirke; Hessen, Braun- 
schweig, Anhalt und mehreren thüringischen Staaten und Elsaß-Lothringen: Kreise genannt) 
regelmäßig ebenso wie die preußischen Landkreise gleichmäßig die Städte wie das flache Land. 
Nur in Bayern und Sachsen sind die großen Städte grundsätzlich von der Zuständigkeit der 
untersten staatlichen Verwaltungsbehörde ausgenommen und unmittelbar der Mittelstelle unter- 
stellt („unmittelbare Städte"), unter deren Kontrolle sie in ihrem Bezirke die sonst der 
untersten staatlichen Instanz zustehenden Geschäfte selbst zu besorgen haben. Daher in Bayern 
auch die Magistrate dieser Städte und die Bezirksämter unter dem Ausdrucke: „Distrikts- 
behörden“ zusammengefaßt werden. Die staatliche Behörde für den untersten Verwaltungs- 
bezirk ist in allen Staaten bureaumäßig organisiert. Ihr Chef (in Bayern: Bezirksamtmann; 
Württemberg: Oberamtmann; Kgr. Sachsen und Oldenburg: Amtshauptmann; Baden: Be- 
zirksamtmann; Sachsen-Weimar: Bezirksdirektor; Hessen: Kreisrat; Braunschweig, Anhalt, 
Elsaß-Lothringen: Kreisdirektor; Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg und anderen thürin- 
gischen Staaten: Landrat genannt) ist ein von der Regierung ernannter Berufsbeamter. 
Der Amtsauftrag der Unterbehörden ist in allen deutschen Staaten ein allumfassender. Sie 
haben die gesamte Verwaltung zu führen, soweit diese nicht höheren oder Spezialbehörden 
übertragen ist. Nur in Elsaß-Lothringen gilt prinzipiell etwas anderes, indem nach französischem 
Rechte der Unterpräfekt, an dessen Stelle der Kreisdirektor getreten ist, nur die ihm ausdrücklich 
überwiesenen Angelegenheiten selbständig wahrzunehmen hat, im übrigen aber lediglich ein 
Organ des Präfekten ist und dessen Befehle auszuführen hat. Allein tatsächlich hat auch hier 
ietzt die Unterbehörde einen weitreichenden selbständigen Wirkungskreis, indem ihr nach Maß- 
gabe des RG. v. 30. 12. 1871 § 14 im Verordnungswege eine Reihe selbständiger Kompetenzen 
übertragen ist. Eine Beteiligung des Laienelementes an der Staatsverwaltung in der untersten 
Instanz durch Bildung von Kollegien, die neben der Staatsbehörde stehen, und deren Chef zum 
Vorsitzenden haben, besteht in Württemberg, Baden (Bezirksrat), Königreich und Großherzog= 
tum Sachsen (Bezirksausschuß), Hessen, Braunschweig, Anhalt, Reuß j. L. (Kreisausschuß), nicht 
dagegen in Bayern und anderen Staaten, in denen solche Kollegien im untersten staatlichen Ver- 
waltungsbezirke nur für Zwecke der Kommunalverwaltung gebildet sind. Die Kompetenz dieser 
Kollegien ist überall eine gesetzlich im einzelnen normierte. Sie haben gewöhnlich über eine 
Reihe gesetzlich bestimmter Angelegenheiten durch Beschlußfassung zu entscheiden, über andere 
sich gutachtlich zu außern und endlich ihre Zustimmung zu gewissen Maßnahmen der Unter- 
behörde (Erlaß von Polizeiverordnungen) zu erteilen. In Elsaß-Lothringen stehen die Kreis- 
tage dem Kreisdirektor, an der Staatsverwaltung teilnehmend, nur insofern zur Seite, als sie in 
einer Reihe von Angelegenheiten gutachtlich vernommen werden müssen. 
III. Die Kommunalverbände. 
8 11. 1. Allgemeines. 
Literatur: Loening 31 ff.; Meyer-Anschütz 7 f., 364 f.; Gierke, Genossen- 
schaftsrecht 1 36 7—10, 24, 28—30, 33, 34, 49, 52, 53, 55—59; Schoen, Recht der Kommunal- 
verbände in Preußen, Leipzig 1897, 13 f.; Rosin, Souveränität, Staat, Gemeinde, Selbst- 
verwaltung (Ann. d. Dtschn. Reichs 1883, 265 ff.)ä; Preuß, Gemeinde, Staat, Reich als Ge- 
bietskörperschaften, Berlin 1889; derse le e, Das städtische Amtsrecht in Preußen, Berlin 1902; 
Die kommunale Selbstverwaltung in Deutschland, im Handb. d. Politik 1, 198. 
I. Neben den Behörden erscheinen als Träger der öffentlichen Verwaltung die Selbst- 
verwaltungskörper (oben S. 202). Auch die Organisation dieser gehört daher zur Organisation
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.