Deutsches Verwaltungsrecht. 237
der Verwaltung. Hier sind von ihnen jedoch nur die Kommunalverbände zu behandeln;
diese allein haben eine allgemeine Bedeutung. Die zahlreichen anderen Selbstverwaltungs-
verbände sind bei der Darstellung der speziellen Verwaltungszweige, denen sie dienen, zu
besprechen.
II. Die Kommunalverbände teilen die allgemeine Rechtslage der anderen Selhbst-
verwaltungskörper. Sie haben ein Recht auf die selbständige Führung der ihnen durch das
Gesetz zugewiesenen Verwaltung, solange dieses Gesetz besteht. Jedes widerrechtliche Eingreifen
der Staatsbehörden in die ihnen durch die objektive Rechtsordnung gewährte Freiheit und
Selbständigkeit der Verwaltung ist eine Verletzung ihres subjektiven Rechtes und berechtigt
sie in den meisten deutschen Staaten zur Anrufung des verwaltungsgerichtlichen Schutzes. Sie
sind aber andererseits auch verpflichtet, die ihnen überwiesenen Verwaltungsgeschäfte so wahr-
zunehmen, wie es das Gesetz und das öffentliche Wohl erfordern. Daher sind sie dem Staate
für ihr Verhalten verantwortlich und einer besonderen Aufsicht des Staates unterstellt (vgl.
unten § 19). Die Kommunalverbände unterscheiden sich von den übrigen Selbstverwaltungs-
körpern einmal durch die eigenartige Begrenzung ihres Lebenszweckes. Sie finden diesen nicht
in der Besorgung einer oder einzelner bestimmter Verwaltungsaufgaben, sondern sind
berufen, die a priori im einzelnen unbegrenzte und unbegrenzbare Gesamtheit von Verwaltungs-
aufgaben zu besorgen, welche einen lokalen Charakter haben. Ihr Wirkungskreis umfaßt alles,
was das Interesse ihres Bezirkes „zunächst berührt und innerhalb ihrer Grenzen durch ihre
eigenen Kräfte besorgt und durchgeführt werden kann“. Er ist nach Maßgabe ihrer jeweiligen
Interessen stets einer Ausdehnung fähig, welche gegenüber den vom Staate direkt zu verrichtenden
Angelegenheiten nur in dem notwendig lokalen Charakter aller Kommunalgeschäfte ihre natür-
liche Begrenzung findet. Er ist im Gegensatze zu dem Wirkungzkreise aller anderen Selbst-
verwaltungskörper nur relativ begrenzt. Sodann heben sich die Kommunalverbände aus den
anderen Selbstverwaltungskörpern dadurch heraus, daß sie ebenso wie der Staat Gebiets-
körperschaften sind. Das heißt sie ergreifen mit ihrer Herrschaft alle in ihrem Bezirke belegenen
Grundstücke schon wegen ihrer Lage und alle in ihren Bezirk getretenen Personen schon wegen
des Verweilens in demselben, ohne Rücksicht darauf, ob diese nach ihren übrigen Eigenschaften
Angehörige des Verbandes sind oder nicht. Dagegen geht es nicht an, die Kommunalverbände
oder auch nur die wichtigsten von ihnen, die Gemeinden, als Gemeinwesen „mit eigenem Lebens-
berufe“ (Gerber, Grundzüge 63) oder „mit einer ihnen selbst entstammenden rechtlichen
Bedeutung“ (Gierke, Genossenschaftsr. 1, 762) zu charakterisieren und anzunehmen, daß
der Staat ihnen aus Zweckmäßigkeitsgründen einzelne seiner Aufgaben zur Besorgung über-
tragen kann, sie aber auch eigene, von den Staatsaufgaben verschiedene öffentliche Aufgaben
haben. Wohl ist es richtig, daß die Gemeinden sich ursprünglich vielfach unabhängig vom Staate
gebildet haben, daß sie älter sind als der Staat und ehedem aus eigenem Rechte öffentliche Auf-
gaben erfüllt haben. Allein ihre Existenz als Selbstverwaltungskörper im heutigen Staate ist
darum doch stets eine im Willen des Staates begründete; nur aus diesem entstammt ihre recht-
liche Bedeutung als Träger der öffentlichen Verwaltung. Erst der moderne Staat hat sie zu
solchen gemacht, nachdem er sie zuvor gleich allen anderen vorgefundenen korporativen Organi-
sationen sich untergeordnet hatte. Auch gibt es keine öffentlichrechtlichen Aufgaben der Ge-
meinden, die nicht auch staatliche sind, an deren Verrichtung der Staat nicht irgendwie interessiert
wäre, die nicht der Verwirklichung der Staatszwecke dienten. Sind aber alle öffentlichrechtlichen
Aufgaben der Gemeinden staatliche, so kann ihr ganzer Wirkungskreis nur ein vom Staate über-
tragener sein, wie er denn auch überall durch die Staatsgesetze im allgemeinen oder speziellen
bestimmt ist. Die übliche Scheidung eines eigenen und eines übertragenen Wirkungzkreises
der Gemeinden ist daher rechtlich unhaltbar und läßt sich überhaupt nicht durchführen, da es
an einem durchschlagenden Kriterium fehlt, nach dem sich aus dem Wesen der Gemeinde ent-
scheiden ließe, ob eine Angelegenheit eine ihr eigene oder eine ihr nur übertragene ist. Über-
haupt von keinem Wirkungskreise der Gemeinde als solcher, also auch von keinem übertragenen
kann man aber in den Fällen sprechen, in denen staatliche Geschäfte einzelnen Organen der Ge-
meinde unmittelbar vom Staate zur Verrichtung überwiesen und diese so in ein unmittelbares
Dienstverhältnis zum Staate gebracht sind (Übertragung der Ortspolizei auf die Bürgermeister
in Preußen, oben S. 204).