238 Paul Schoen.
III. Die Kommunalverbande haben wie alle Selbstverwaltungskörper die ihnen zu-
fallenden Verwaltungsaufgaben im Rahmen der Gesetze selbständig zu erledigen, d. h. nach
eigenen Beschlüssen, durch eigene Organe und aus eigenem Vermögen. Die Angestellten der
Kommunalvberbände stehen nur im Dienste dieser, nicht des Staates; ihre Bezeichnung als mittel-
bare Staatsbeamte gibt lediglich der Uberlegung Ausdruck, daß sie, indem sie die Geschäfte des
Kommunalverbandes besorgen, mittelbar staatliche Aufgaben erfüllen. Die Mittel, deren die
Kommunalverbände sich bei Erfüllung ihrer Aufgaben bedienen, sind die auch vom Staate be-
nutzten: Anordnung und Zwang. Im Gegensatz zum Staate hat die Gemeinde jedoch keine
originäre Zwangsgewalt; sie kann nur insoweit befehlen und zwingen, als der Staat ihr solches
Herrschaftsrecht verliehen hat.
IV. Die Kommunalverbände zerfallen in die Ortsgemeinden und die höheren
Kommunalverbändeo. Jenc umfassen die untersten, den nachbarlichen Gemeininteressen
dienenden Verbände, die wieder ihrer Verfassung nach entweder Stadt= oder Landgemeinden
sind. Diese sind für weitere Gebiete gebildet und umfassen, mit Ausnahme der Stadtkreise,
eine Mehrheit von Ortsgemeinden. Die Ausgestaltung der höheren Kommunalverbände in den
deutschen Staaten ist eine verschiedene. Im Königreich Sachsen 1 und in mehreren Kleinstaaten
(Weimar, Altenburg, Koburg-Gotha, Schwarzburg-Rudolstadt, Reuß ä#. u. j. L.) fehlen sie über-
haupt. In anderen Kleinstaaten und ebenso in Bayern, Württemberg, Baden und Elsaß-
Lothringen ist nur eine Art höherer Kommunalverbände eingerichtet (in Bayern die Distrikts-
gemeinden?; Württemberg die Amtskörperschaften; Oldenburg die Amter; Elsaß-Lothringen
die Bezirksverbände; Baden 3, Braunschweig, Anhalt, Meiningen u. a. die Kreise). In Preußen
und Hessen dagegen sind zwei Stufen höherer Kommunalverbände organisiert, die Kreisgemeinden
und die Provinzialgemeinden, zwischen denen in Hessen-Nassau noch die beiden Bezirks-
gemeinden für die Regierungsbezirke Wiesbaden und Kassel stehen.
2. Die Ortsgemeinden.
a) Die geschichtliche Entwickelung der Ortsgemeinden.
Literatur: Loening 5# 31; Meyer-Anschütz 51 110; Gierke, Genossenschafts-
recht 1, §# 33, 34, 52, 53, 55, 56; Schoen, Recht der Kommunalverbände in Preußen, #4, 5,
11, 12; Preuß, Die Entwicklung des deutschen Städtewesens 1, Leipzig 1906; die oben S. 210f.
angegebenen Werke und Abhandlungen.
8§8 12. Die Entwickelung bis zum Ausgange des 18. Jahrhunderts.
I. Einen in der Verfassung begründeten Unterschied zwischen Städten und Land-
gemeinden gab es ursprünglich nicht. Er ist entstanden mit der Entwickelung der Stadträte,
die sich im 12. und 13. Jahrhundert in den meisten Städten vollzog. Der alte Stadtrat war
1 Die hier für die Amtshauptmannschaftsbezirke gebildeten Bezirksverbände, welche ge-
wöhnlich als Kommunalverbände höherer Ordnung angesprochen werden (Loening 207), sind
solche in dem hier festgestellten Sinne nicht, da ihnen kein allgemeinerer Wirkungskreis zugewiesen
ist, sie vielmehr lediglich zur Verwirklichung einzelner, gesetzlich genau bestimmter Verwaltungs-
aufgaben berufen sind (O. Mayer, Sächs. St. R., 299 ). Sie sind lediglich Verbindungen mehrerer
Eieinen zur Verfolgung bestimmter Zwecke, gehören also zu den Zweckverbänden (siehe unten
J.
: Die in Bayern für die Regierungsbezirke gebildeten Kreisgemeinden sind wesentlich ledig-
lich Berbände zur Beschaffung und Verwaltung finanzieller Mittel; über die Finanzverwaltung
hinaus gibt es neine von der Staatsverwaltung verschiedene Kreisgemeindeverwaltung. Sie haben
überhaupt nicht die Stellung von Selbstverwaltungskörpern, indem ihre Tätigkeit nicht durch
selbständige Entschließungen ihrer Organe, sondern durch Entscheidungen der Staatsbehörden.
und des Landesherrn bestimmt wird (v. Seydel, Bayer. St. R. 2, 167).
Von den in Baden innerhalb der Kreisverbände von mehreren Gemeinden Feiwillig ge-
bildeten Bezirksverbänden wie von den daselbst gesetzlich für die Amtsbezirke gebildeten Amts-
verbänden, die auch gewöhnlich als höhere Kommunalverbände bezeichnet werden (Walz, Bad.
St. R. 192, 197 f.; Fleiner 105), gilt dasselbe wie von den sächs. Bezirksverbänden (vgl. die
vorstehende Anm. 1).