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Kommun.O. 1758; Baden-Durlach: Kommun.O. 1760), welche eine weitgehende staatliche
Bevormundung dieser einführten, im Gegensatze zu den brandenburg-preußischen Ordnungen
sich jedoch darauf beschränkten, die Vermögensverwaltung und die staatliche Beaufsichtigung
der Städte zu regeln, die hergebrachten organisatorischen Einrichtungen dagegen, wie die Selbst-
ergänzung des Stadtvorstandes, lebenslängliche Bestellung seiner Mitglieder u. a., gewöhnlich
fortbestehen ließen.
II. Die Landgemeinden standen in Deutschland seit der Zeit der Karolinger meist
unter der Herrschaft eines Grundherrn. Nur in einzelnen Gegenden Süddeutschlands, in den
Rheinlanden, in Westfalen, Niedersachsen, Friesland und Dithmarsen hatten sich freie Bauern-
dörfer in größerer Anzahl erhalten. Die Organisation dieser Landgemeinden war im all-
gemeinen die gleiche. Die Gemeindemitgliedschaft war an Hufenbesitz in der Gemeinde ge-
knüpft. Vielfach wurde für die volle Berechtigung in der Gemeinde ein Grundbesitz von be-
stimmtem Umfange verlangt, und denen, die einen solchen hatten (Vollbauern), traten die Be-
sitzer kleinerer Höfe als Minderberechtigte (Halbbauern, -spänner) gegenüber. Alle wichtigen
Gemeindeangelegenheiten wurden in der aus allen Gemeindegenossen bestehenden Gemeinde-
versammlung beschlossen. Die Leitung dieser Versammlung wie die Besorgung der laufenden
Geschäfte lag dem Gemeindevorsteher (Bauermeister, richter, Dorfführer, Schulze) ob, der in
freien Gemeinden gewählt, in grundherrlichen gewöhnlich von der Herrschaft ernannt wurde.
Auch kollegialische, den städtischen Räten nachgebildete Gemeinderäte entstanden in freien
Gemeinden, waren jedoch in den meisten Landschaften eine vereinzelte Erscheinung. Die Auf-
gaben der Landgemeinden waren zunächst wirtschaftliche: Regulierung der Feldwirtschaft des
einzelnen und Sorge für die gemeine Mark. Sie hatten aber auch eine weitgehende Autonomie,
polizeiliche Funktionen und die niedere Gerichtsbarkeit. Das Recht wurde ursprünglich von der
Gesamtheit der Dorfgenossen gefunden, später traten an die Stelle dieser ständige Urteilsfinder
oder Schöffen, die dann auch in Verwaltungssachen als Gehilfen des Gemeindevorstehers ver-
wendet wurden. Wesentlich anders als im übrigen Deutschland war die Rechtslage der durch
die deutsche Kolonisation gegründeten Dörfer in denrechtselbischen Gebieten,
die überhaupt nicht den Charakter von politischen Gemeinden hatten. Sie waren lediglich
unterste Bezirke für die landesherrliche Verwaltung, innerhalb welcher die Abgaben und Dienste
der Bauern für den Landesherri entrichtet, die Ortspolizei und die niedere Gerichtsbarkeit
von dem Schulzen, dessen Amt hier vielfach erblich mit einem bestimmten Gute verbunden war
(Lehn-, Erbschulze), als Organ des landesherrlichen Vogtes gehandhabt wurden. Die Bauern
des Dorfes bildeten lediglich einen privatwirtschaftlichen Verband, wie er durch die gemein-
same Bodenkultur jener Zeit und durch die gemeinsame Benutzung von Wald und Weide sich
von selbst ergab. Im 13. und 14. Jahrhundert aber kamen die Bauernansiedlungen hier faft
ausnahmslos unter die Herrschaft der Rittergutsbesitzer, die die Hoheitsrechte über die bei ihren
Gütemn belegenen Dörfer erwarben (oben S. 220) und damit nach damaliger Rechtsanschauung
auch Obereigentümer aller bäuerlichen Grundstücke wurden. Die Bauern wurden so politisch
wie wirtschaftlich völlig abhängig von dem Gutsherrn, dessen unbeschränkte Herrschaft über das
Dorf die Entwickelung dieses zum politischen Gemeinwesen unmöglich machte.
Im 16. und 17. Jahrhundert trat in den meisten Teilen Deutschlands ein Verfall der
alten Landgemeinden ein, veranlaßt durch die Herabdrückung des persönlich freien Bauern-
standes in Hörigkeit und Leibeigenschaft, durch das vollständige Unterliegen der Bauern im
Bauernkriege und die Verwüstungen des dreißigjährigen Krieges. Auch in Süd= und Westdeutsch-
land verloren die Landgemeinden ihre Autonomie und ihre Gerichte, und ihre Selbstverwaltung
wurde überall eingeengt durch ausgedehnte obrigkeitliche oder grundherrliche Aufsichtsrechte;
vielfach gingen sie auch ihrer wirtschaftlichen Grundlage, der Allmende, verloren, die die Landes-
herren unter Inanspruchnahme der Obermärkerschaft an sich zogen. Gleichzeitig begannen die
Landesherren jedoch auch gesetzgebend in die Verhältnisse des platten Landes einzugreifen:
Sie erließen Anordnungen, welche im Interesse der Erhaltung des Bauernstandes der Einziehung
der bäuerlichen Grundstücke durch die Gutsherrschaften steuerten, sie normierten in Dorf= und
Flurordnungen das wirtschaftliche Leben der Gemeinden. Sie überwiesen diesen aber auch
öffentliche Aufgaben, wie besonders die Armenpflege und das Schulwesen — Angelegenheiten,
die bislang der Kirche überlassen waren und erst neuerdings als staatliche angesehen wurden —,