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meinden eine größere Selbständigkeit zu gewähren, ergingen zunächst in Bahern (Vdg. v. 17. 5.
1818) und Württemberg (Verw. Ed. v. 1. 3. 1822) und dann in den dreißiger Jahren in Sachsen
(St O. v. 2. 2. 1832 u. LGO. v. 7. 11. 1838), Kurhessen (GemO. f. Stadt- und Landgemeinden
v. 23. 10. 1834) und Baden (Gem G. u. Bürgerrechts G. v. 31. 12. 1831). Auch in Preußen be-
schäftigte sich die Gesetzgebung wieder mit dem gemeindlichen Verfassungsrechte: unter dem
17. 3. 1831 wurde die sog. revidierte Städteordnung erlassen, die veranlaßt war durch einige
Mängel, die sich bei der praktischen Handhabung der Städteordnung von 1808 herausgestellt
hatten, diese aber keineswegs verdrängte, sondern nur in den inzwischen erworbenen Gebieten
und da in Kraft trat, wo die Städteordnung von 1808 nicht galt; unterm 31. 10. 1841 erging
eine Landgemeindeordnung für Westfalen, und unterm 23. 7. 1845 eine gemeinsame Gemeinde-
ordnung für die Städte und Landgemeinden der Rheinprovinz, welche die bis dahin hier in Kraft
verbliebene französische Gesetzgebung bescitigte und zum erstenmal das Dreiklassenwahlsystem
einführte.
III. Dann brachten die Bewegungen des Jahres 1848 wieder die Gemeindegesetzgebung
in Fluß. In Preußen erging unterm 11. 3. 1850 eine Gemeindeordnung, die im ganzen Staate
und in allen Gemeinden gelten wollte. Auch in Preußen sollte jetzt die bislang festgehaltene
Unterscheidung zwischen Stadt und Land fallen gelassen werden; allein zur völlig gleichartigen
Organisation aller Gemeinden konnte man sich doch nicht entschließen, und so brachte die Ge-
meindeordnung eine kompliziertere und eine einfachere Organisation für die an Seelenzahl
größeren und kleineren Gemeinden. Im übrigen stellte sie neue Grundsätze über die Gemeinde-
angehörigkeit auf (s. unten S. 245). Sie führte weiter allgemein das Dreiklassenwahlsystem ein
und erweiterte die Staatsaufsicht, die jedoch regelmäßig von zum Teil aus Ehrenbeamten be-
stehenden Kollegien (Kreisausschüsse, Bezirksräte) geübt werden sollte. Allein diese Gemeinde-
ordnung kam nur sehr sporadisch zur Ausführung. Verschiedene Umstände und nicht zuletzt die Er-
kenntnis, daß die gleichmäßige Regelung des Gemeindewesens für alle Gemeinden des ganzen
preußischen Staates nicht den großen provinziellen Verschiedenheiten und die arithmetische Unter-
scheidung von großen und kleinen Gemeinden nicht dem durch geschichtliche Entwickelung und wirt-
schaftliche Verhältnisse begründeten Unterschiede zwischen Stadt- und Landgemeinden gerecht
werden könne, veranlaßten zunächst die Sistierung ihrer weiteren Einführung und dann ihre Auf-
hebung durch Gesetz v. 24. 5. 1853. Es ergingen nunmehr für die einzelnen Teile des Staates be-
sondere und für Stadt und Land verschiedene Gemeindeordnungen. Nämlich die noch heute
geltenden Städteordnungen für die östlichen Provinzen mit Ausnahme von Neu-Vorpommern und
Rügen v. 30. 5. 1853, für Westfalen v. 19. 3. und für die Rheinprovinz v. 15. 5.1856, welche sich im
wesentlichen an die Gemeindeordnung v. 1850 anschlossen; fermer ein Gesetz betr. die Verfassung
der Städte in Neu-Vorpommern und Rügen v. 31. 5. 1853, welches für diese im wesentlichen
die durch spezielle Rezesse bestimmten Sondewerfassungen aufrechterhielt. Für die Land-
gemeinden wurde in Westfalen eine neue Gemeindcordnung unterm 19. 3. 1856 erlassen, in der
Rheinprovinz die Gemeindeordnung von 1845 in der ihr durch eine Novelle v. 15. 5. 1856 ge-
gebenen Fassung wieder in Kraft gesetzt, womit auch diese den Charakter einer ausschließlichen
Landgemeindeordnung erhielt; in den östlichen Provinzen dagegen blieb die alte ländliche
Gemeindeverfassung bestehen, nur einige notwendige Ergänzungen und Klarstellungen des
geltenden Rechtes brachte ein Gesetz v. 14. 4. 1856.
Auch in zahlreichen anderen Staaten veranlaßte die liberale Strömung der Jahre 1848
bis 1850 den Erlaß neuer Gemeindeordnungen, die jedoch alle das Schicksal der preußischen
von 1850 teilten, d. h. im Laufe der fünfziger Jahre wieder beseitigt oder doch wesentlich ab-
geändert wurden. Hierher gehören besonders die ersten allgemeinen hannoverschen Gemeinde-
gesetze, die Städteordnung v. 1. 5. 1851 und die Landgemeindeordnung v. 4. 5. 1852, an deren
Stelle dann die noch heute geltende Städteordnung vom 24. 6. 1858 und die Landgemeinde-
ordnung v. 28. 4. 1859 getreten sind.
IV. In Preußen war in der Folgezeit die nächste Veranlassung zur Emanation neuer
Gemeindegesetze der Erwerb der neuen Provinzen. Grundsätzlich ließ man hier allerdings zu-
nächst das vorgefundene Gemeinderecht bestehen. Unhaltbar schienen jedoch die unklaren, teils
veralteten Rechtsverhältnisse in Schleswig-Holstein und die Verfassungseinrichtungen Frank-
furts a. M., welche auf den ehemals staatlichen Charakter der Stadt zugeschnitten waren. Daher