250 Paul Schoen.
Bereich des Gutsbezirkes zu allen den Pflichten und Leistungen verbunden, welche den Ge-
meinden für den Bereich ihres Gemeindebezirkes obliegen. Er hat daher die kommunalen Lasten
im Gutsbezirke aus seinen Privatmitteln zu bestreiten und vereinigt gleichzeitig in sich die Kom-
petenzen der Gemeindeorgane. Als Vertreter des Gemeindevorstandes und Obrigkeit im Guts-
bezirke heißt er Gutsvorsteher. Voraussetzung dafür, daß der Besitzer des Gutes die Guts-
vorstehergeschäfte persönlich versieht, ist jedoch, daß er gewisse persönliche Eigenschaften hat,
wie männliches Geschlecht, Reichsangehörigkeit, Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte, Nicht-
befinden in Konkurs u. a. Fehlen ihm diese, so muß er sich einen befähigten Stellvertreter
bestellen, was ihm auch freisteht in Fällen, wo er nicht persönlich verhindert ist. Als Guts-
vorsteher ist der Besitzer des Gutes, ebenso wie der Gemeindevorsteher, Inhaber eines öffent-
lichen Amtes und kann daher ebenso wie dieser disziplinarisch zur Erfüllung seiner Pflichten
angehalten werden.
II. Mehrere Nachbargemeinden, wie auch solche und Gutsbezirke, können zur Besorgung
gemeinsamer Angelegenheiten vereinigt werden. Diese Vereinigung kann erfolgen : 1. behufs
gemeinsamer Verwaltung bestimmter einzelner kommunaler Angelegenheiten, als z. B. Unter-
haltung der Nachbarwege, Anlage von Wasserleitungen, Feuerlöschwesen, Feld- und Flurschutz,
oder 2. so, daß die vereinigten Gemeinden einen neuen Kommunalverband bilden, dessen
Wirkungskreis alle Angelegenheiten umfaßt, an denen die zu ihm gehörigen Gemeinden ein
gemeinsames Interesse haben. Vereinigungen der ersteren Art werden Zweckverbände,
solche der letzteren Samtgemeinden genannt. Die Vereinigung zu Zweckverbänden
(in Preußen jetzt durch ein besonderes Zweckverbandsgesetz v. 19. 7. 1911 geregelt) ist den Ge-
meinden im allgemeinen freigegeben. Sie erfolgt durch deren freiwilliges Ubereinkommen
und Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Im öffentlichen Interesse können jedoch auch zwangs-
weise von der Regierung solche Verbände gebildet werden. Die Zweckverbände sind an sich
lediglich Sozietäten, die Rechte öffentlicher Körperschaften erlangen sie nur durch besondere
Verleihung. Ihre Organisation ist nach dem Vorbilde der der Gemeinde zu gestalten (Verbands-
vorsteher, -ausschuß) das Nähere über sie wie auch über die Aufbringung der zu den gemein-
samen Ausgaben erforderlichen Mittel ist in einem Statute zu bestimmen. In einzelnen Staaten
sind solche Zweckverbände auch gesetzlich angeordnet und bilden dann einen notwendig überall
und gleichmäßig vorhandenen Bestandteil der kommunalen Organisation; dahin gehören die
Bezirksverbände im Königreich Sachsen und die Amtsverbände in Baden, s. oben S. 238, Anm. 1, 3).
Das Institut der Samtgemeinden findet sich in reiner Form nur in der Rheinprovinz und in
Westfalen, wo es aus der französischen Munizipalverfassung herausgewachsen ist (Schoen 350). In
der Rheinprovinz bildet jede Bürgermeisterei (loben S. 235 III.), welche mehrere Landgemeinden
umfaßt, hinsichtlich der Angelegenheiten, die für alle zu ihr gehörigen Gemeinden ein gemeinschaft-
liches Interesse haben, „einen Kommunalverband mit den Rechten einer Gemeinde“, und in West-
falen kann jedes Amt einen solchen Kommunalverband bilden, der als ein kommunaler Zwischen-
bau zwischen der Ortsgemeinde und dem Kreisverbande erscheint. Die Organe dieser Samt-
gemeinden sind der Bürgermeister bzw. Amtmann als Vorsteher und eine von den zu ihnen ge-
hörigen Gemeinden beschickte Vertretung (Bürgermeisterei, Amtsversammlung). Die Einzel-
gemeinde hat nur die Kompetenzen, welche die Samtgemeinde nicht an sich gezogen hat, und
steht überrdies unter weitgehender Aufsicht des Samtgemeindevorstehers. Keine wahren Samt-
gemeinden sind die als solche in der hannoverschen Gesetzgebung bezeichneten Vereinigungen
von Gemeinden für bestimmte Zwecke (LGem O. 5 20, Min Bek. v. 28. 4. 1859 85 1 ff.), desgleichen
nicht die Bürgermeistereien in Bayern und Hessen, die lediglich darin bestehen, daß mehrere
Gemeinden den Bürgermeister gemeinsam haben, also gar keinen Gemeindeverband darstellen.
Die aus mehreren Ortschaften zusammengesetzten Gemeinden (oben S. 244 II.) können als Samt-
gemeinden mit Recht nur bezeichnet werden, wenn die Ortschaften die Qualität von Gemeinden
haben (so die württembergischen „Teilgemeinden“ GO. 169), dagegen nicht da, wo den Ort-
schaften diese Qualität nicht zukommt (Bayern, v. Seydel StR. 2, 35), mögen die Ortschaften auch
eigenes Vermögen und besondere Organe für dessen Verwaltung besitzen.