Deutsches Verwaltungsrecht. 255
Sachsen), so entsteht, ähnlich wie in Hannover, ein kollegialisches Landesdirektorium. Dem
Provinzialausschusse ist der Landesdirektor (das Direktorium) untergeordnet; er hat die Be-
schlüsse jenes vorzubereiten und auszuführen und die laufenden Geschäfte unter seiner Kontrolle
zu besorgen.
4. Der Wirkungskreis der höheren Kommunalverbände umfaßt
ebenso wie der der Ortsgemeinden einmal öffentliche Aufgaben, zu deren Wahrnehmung sie
gesetzlich verpflichtet sind, und sodann solche, die sie freiwillig übermommen haben. Auch für
sie liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit auf dem Gebiete der inneren Verwaltung.
Auf diesem können sie insbesondere ihren Wirkungskreis freiwillig ausdehnen und alle An-
gelegenheiten an sich ziehen, die ihrer Ansicht nach im Interesse des Verbandes am besten durch
ihn selbst verwaltet werden. Eine Schranke findet diese Erweiterung des Wirkungskreises nur
darin, daß der höhere Kommunalverband einerseits nicht Angelegenheiten an sich ziehen darf,
die zur allgemeinen Landesverwaltung gehören und vom Staate selbst besorgt werden, und anderer-
seits nicht solche rein lokalen Charakters, die den Ortsgemeinden zu belassen sind. Zur An-
gelegenheit des höheren Kommunalverbandes können immer nur solche Geschäfte erhoben werden,
welche eine über das Interesse einer oder mehrerer einzelner Gemeinden hinausgehende Be-
deutung haben (Kranken-, Korrigendenanstalten, Sparkassen, Kreditinstitute, Fortbildungs-
schulen u. a.). Die wichtigste obligatorische Aufgabe der höheren Kommunalverbände ist die
Verwaltung ihres Vermögens und die Sorge für die zur Erfüllung aller weiteren Verpflichtungen
erforderlichen Mittel, die eventuell durch Umlagen auf die unteren Kommunalverbände zu be-
schaffen sind. Die sonst noch den höheren Kommunalverbänden gesetzlich übertragenen Auf-
gaben sind in den einzelnen Staaten sehr verschiedene. Vor allem sind ihnen häufig übertragen
der Bau und die Unterhaltung der (nicht nur dem lokalen, sondern) dem Durchgangsverkehr
dienenden Straßen, insbesondere der Chausseen (Preußen G. v. 8. 7. 1875 §§ 4, 18; Bayem
v. 8. 8. 1878 § 48; Baden v. 14. 6. 1884), die Landarmenpflege und die sog. außerordentliche
Armenlast (Preußen G. v. 8. 3. 1871 5§ 26, 28 u. v. 11. 7. 1891; Baden G. 14. 3. 1872
5 1, 2; Hessen G. v. 14. 7. 1871 3 4; Bayern v. 29. 4. 1869 Art. 38 f.), eine Mitwirkung bei der
Handhabung der Reichsversicherungsgesetzgebung und einzelne Aufgaben auf dem Gebiete des
Feuerersicherungswesens. An der Rechtspflege können die weiteren Kommunalverbände
sich durch Errichtung von Gewerbe- und Kaufmannsgerichten für ihre Bezirke beteiligen (RG. v.
29. 7. 1890 u. 6. 7. 1904 § 1). Und endlich können sie auch rechtsetzend tätig werden in
Ausübung der ihnen zugestandenen Autonomie. Sie können zur näheren Regelung ihrer Ver-
hältnisse im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften Statuten erlassen, die von der weiteren Ver-
tretung des Verbandes zu beschließen, staatlich zu genehmigen und in ortsüblicher Weise zu
publizieren sind.
8§ 19. 4. Die Staatsaufsicht über die Kommunalverbände.
Literatur: Loening 8 40, 464 Meyer-Anschütz 114, 118; O. Mayer
Dée: Schönborn, Eberaussichbrrecht des Staates, Heidelb. Diss. 1906; v. Mangold,
as Aufsichtsrecht des Staates über die Kommunalverbände, Gött. Diss. 1913; speziell für
Preußen: Schoen, Recht der Kommunalverbände, ## 9 ff. u. 94, 128, 466; für Bayern:
v. Seydel, StR. 2 S. 21 ff., 163 ff.
I. Die Staatsaussicht hat eine doppelte Aufgabe: einmal darüber zu wachen, daß die Ge-
meinden nichts Gesetzwidriges tun, insbesondere nicht ihre Zuständigkeit überschreiten, und so-
dann darauf zu halten, daß die Gemeinden die ihnen gesetzlich auferlegten Pflichten erfüllen,
zu welchen nicht nur die Lösung der einzelnen ihnen überwiesenen öffentlichen Aufgaben, sondern
auch die Sorge für ordentliche Finanzverhältnisse und ein geeignetes Beamtenpersonal gehört
(württemb. GO. Art. 186; rhein. LGpO. § 114). Sie ist von den zuständigen Behörden laufend
und von Amts wegen, nicht erst auf Beschwerde eines durch ein Verhalten der Gemeinde ver-
letzten Dritten hin zu üben. Berufen, sie zu üben, ist regelmäßig die dem Kommunalverbande
in der hierarchischen Stufenfolge vorgesetzte staatliche Verwaltungsbehörde; ist ausnahmsweise
die Beaussichtigung dem Organe eines höheren Kommunalverbandes übertragen, so fungiert
dieses hier lediglich im Auftrage und nach Weisungen des Staates. Die zur ÜUbung der Staats-