Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

256 Paul Schoen. 
aufsicht berufenen staatlichen Einzelbeamten sind da, wo ihnen zum Teil aus Laien bestehende 
Kollegien zur Seite gestellt sind (s, oben S. 229, 230), in weitem Umfange an deren Mit- 
wirkung gebunden. Die Staatsaufsicht ist heute überall an feste gesetzliche Normen gebunden; 
alle Eingriffe der Behörden in die Kommunalverwaltung unter dem Gesichtspunkte der Auf- 
sicht bedürfen eines besonderen Rechtstitels. Jedes Hinausgehen der Aufsichtsbehörde über die 
ihr gesetzlich zuerkannte Befugnis enthält ein Unrecht gegen den Kommunalverband (oben S. 237). 
Das Ziel, welches die Aktion der Aussichtsbehörde verfolgt, kann regulär nur die Herbeiführung 
eines gesetzmäßigen Verhaltens des Kommunalverbandes sein, denn prinzipiell ist die Tätigkeit 
der Selbstverwaltungskörper im Rahmen der Gesetze eine freie, d. h. unabhängig von be- 
stimmenden Anordnungen der Staatsbehörden. Allein dieser Grundsatz ist doch vielfach durch- 
brochen, und es sind den Aufsichtsbehörden auch Befugnisse beigelegt, die auf die Sicherung eines 
zweckmäßigen Handelns der Gemeinde abzielen, wie das Recht der Bestätigung gewisser Ge- 
meindebeschlüsse, Wahlen usw. 
II. Die einzelnen Befugnisse, welche den Aussichtsbehörden zustehen, sind: 1. das Recht 
der dauernden Kenntnisnahme von den Zuständen und Tätigkeiten der Kommunalverbände, 
welches ausgeübt wird durch Akteneinsicht, Amts- und Kassenrevisionen und Auskunfts- 
einforderungen von den Kommunalbehörden; 2. das Recht, Beschlüsse oder Anordnungen der 
Kommunalorgane, welche deren Befugnisse überschreiten oder die Gesetze verletzen, bisweilen 
(Baden G. v. b. 10. 1863 § 54) auch schon solche, welche das allgemeine Interesse verletzen, zu be- 
anstanden (Preußen; gegen die Beanstandungsverfügung Klage im Verwaltungsstreitverfahren: 
ZG. §§ 15, 29; Kr O. östl. Prov. § 178; Prov O. § 118) oder aufzuheben (in den meisten anderen 
Staaten); 3. das Recht, gewisse Beschlüsse der Kommunalverbände (es handelt sich vorzüglich 
um solche auf dem Gebiete der Finanzverwaltung) zu genehmigen. Voraussetzung für die Er- 
teilung der Genehmigung ist natürlich, daß der Beschluß kein gesetzwidriger ist. Allein die 
Aussichtsbehörde ist nur dann verpflichtet, jeden gesetzmäßigen Beschluß zu genehmigen, wenn 
dieses im Gesetze vorgeschrieben ist; anderenfalls, und das ist die Regel, darf sie die Genehmigung, 
auch von Zweckmäßigkeitserwägungen aus geleitet, nach freiem Ermessen erteilen oder versagen. 
Erst mit Erteilung der Genehmigung wird der genehmigungsbedürftige Beschluß zur rechts- 
gültigen Willenserklärung des Verbandes. Auf gleicher Linie mit dem Rechte der Aufsichts- 
behörden, bestimmte Beschlüsse der Kommunalverbände zu genehmigen, steht ihr Recht, die. 
Wahlen zu bestimmten kommunalen Amtern und autonomische Satzungen der Verbände zu 
bestätigen; auch hier werden Handlungen des Verbandes erst gültig durch den Hinzutritt der 
Entschließung der Aussichtsbehörde; 4 das Recht, an Stelle der Gemeinde, d. h. ihrer Organe 
zu handeln. Es ist gegeben in Fällen, in denen die Gemeindeorgane säumig oder widerspenstig 
sind oder aus besonderen Gründen die Gemeinde nicht vertreten können. So hat die Aufsichts- 
behörde für die Wahrung des Gemeindeinteresses zu sorgen, wenn die Gemeindekollegien wegen 
Kollision des Interesses ihrer Mitglieder mit dem der Gemeinde beschlußunfähig sind. Sie hat 
der Gemeinde einen Anwalt zu bestellen, wenn ein Prozeß dieser gegen Mitglieder des Gemeinde- 
vorstandes notwendig wird (St O. östl. Prov. & 44). Sie kann Stellen im Gemeindevorstande 
kommissarisch besetzen, wenn die Gemeindevertretung die erforderlichen Wahlen nicht vornimmt oder 
der Wahl wiederholt die Bestätigung versagt ist (das. 833, Württ. Gem O. 859). Sie hat das Recht, 
die Einsetzung von Ausgabeposten in den Etat zu verfügen, wenn die Vertretung des Verbandes 
sich weigert, die Mittel zu Leistungen zu bewilligen, zu denen der Verband gesetzlich verpflichtet 
ist, wie z. B. die notwendigen Ausgaben für die Armenpflege, Schulunterhaltung, Polizei- 
verwaltung, Beamtenbesoldung (Zwangsetatisierung, Zwangseinschreibung). Weigern sich die 
Gemeindeorgane, die so zwangsweise etatisierten Ausgaben zu decken, so hat an ihrer statt die 
Aufsichtsbehörde auch die weiter zum Vollzuge nötigen Verfügungen zu treffen; sie ist ins- 
besondere befugt, die erforderlichen Umlagen anzuordnen und erheben zu lassen und die so 
flüssig gemachten Gelder ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung zuzuführen (Schoen 337 ff.; 
Jebens, Verwaltungsrechtl. Aufsätze, 28 ff.; Verwülrch. 13, 497 ff.); 5. das Recht des Zwanges 
gegen Organe des Kommunalverbandes. Begrifflich ist Gegenstand der Staatsaufsicht über 
die Kommunalverbände das Verhalten des Verbandes an solchen. Die Willenserklärungen des 
Verbandes werden von der Aufsichtsbehörde bestätigt oder beanstandet, an seiner Statt wird 
von ihr gehandelt. Allein alle Anordnungen der Aufsichtsbehörden verlangen mittelbar doch
	        
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