Deutsches Verwaltungsrecht. 257
ein bestimmtes Verhalten der Organe des Verbandes; diesen wird mit der Beanstandung des
Beschlusses verboten, den Beschluß auszuführen, diesen wird mit der Zwangsetatisierung be-
fohlen, die etatisierte Summe aufzubringen und zu verwenden. Daher ist es von Bedeutung
für die Durchsetzung der staatsaufsichtlichen Anordnungen, daß die Aufsichtsbehörden einen
Zwang auf die Organe der Kommunalverbände ausüben können. Ein eigentliches Zwangs-
mittel haben sie aber nur dort, wo sie gesetzlich ermächtigt sind, gegen ungehorsame Mitglieder
eines Kommunalorganes mit Zwangsstrafen (unten § 23, II 2) vorzugehen, wie eine solche
gesetzliche Ermächtigung z. B. in Preußen nach der herrschenden Ansicht in § 132 LVG. er-
teilt ist. Die Zwangsstrafe ist keine Disziplinarstrafe, sie setzt kein Dienstverhältnis voraus, daher
kann sie auch gegen die Mitglieder der Gemeindevertretung und deren Vorsteher angewendet
werden (O. Mayer 2, 417 11; Jebens 289). Wo die Aufsichtsbehörden das Recht, mit Zwangs-
strafen vorzugehen, nicht haben, sind sie darauf angewiesen, gegen die Beamten des Kommunal=
verbandes, die ihren Weisungen nicht nachkommen, Disziplinarstrafen zu verhängen. Durch
diese werden jene aber nicht gezwungen, den Weisungen nachzuleben, sondern nur bestraft wegen
Verletzung ihrer Dienstpflicht; einen Zwang, den Weisungen der Aufsichtsbehörde nachzukommen,
übt auf den Kommunalbeamten höchstens die Aussicht auf disziplinarische Bestrafung im Falle
ihrer Nichtbefolgung aus. 6. Als ein außerordentlicher Ausfluß des staatlichen Aufsichtsrechtes
kann endlich das in Preußen (außer Hannover), Sachsen, Hessen, mehreren Kleinstaaten und
Elsaß-Lothringen bestehende Recht der Regierung, die weitere Vertretung des Kommunalverbandes
aufzulösen und Neuwahlen anzuordnen, angesehen werden. Die Ausübung dieses Rechtes, welches
den weitgehendsten Eingriff in die Selbstverwaltung enthält, ist dem Landesherrn (Preußen,
in Elsaß--Lothringen dem Kaiser) oder doch der Zentralbehörde vorbehalten; sie ist in einzelnen
Rechtsgebieten gesetzlich an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft (Preußen, Elsaß-Lothringen),
in anderen ausdrücklich davon abhängig gemacht, daß die Vertretung dauernd ihre Pflichten
vernachlässigt oder auf gesetzwidrigen Beschlüssen beharrt (Hessen).
Drittes Kapitel.
Erklärung und Verwirklichung des Staatswillens in der
Verwaltung.
§ 20. Die Verwaltungsakte. Allgemeines.
Literatur: Loeningss49, 52, 53: Meyer-Anschütz l!77; Meyer-Dochow
8; O. Mayer #§8; v. Stengel 8 37, 39; Bernatzik, Rechtsprechung u. materielle Rechts-
aft, Wien 1886, 1 ff.; Kormann, System der rechtsgeschäftlichen Staatsakte, Berlin 1910,
s§ 3—ö; derselbe, Grundzüge eines allgem. Teils des öffentl. Rechts i. d. Annalen des Deut-
schen Reichs Jahrg. 1911 u. 1912 (bes. 1912, 39 ff.)) Fleiner 167 ff.
Die Handlungen der Verwaltungsbehörden, welche der Realisierung der Verwaltungs-
aufgaben dienen, sind entweder rein tatsächlicher oder juristischer Natur. Zu jenen gehören z. B.
die Errichtung von Anstalten (Bildungs-, Kreditanstalten, Eisenbahnen), viele Betätigungen
der Aufsichtsgewalt über die Selbstverwaltungskörper, als Akteneinsicht, Amts-, Kassenrevisionen,
Besichtigung von Anstalten sowie alle Akte, die Anwendung unmittelbaren Zwanges darstellen,
wie die Wegnahme oder Tötung von Tieren und die Festnahme von Personen (lediglich jedoch
die Akte der Zwangsübung selbst, von denen wohl zu unterscheiden ist die ihnen zugrunde liegende
Anordnung der Zwangsübung). Zu den juristischen Verwaltungshandlungen gehören An-
ordnungen, Eingehen von Verträgen und alle sonstigen Handlungen, mit denen Rechtsfolgen
verbunden sind: Beurkundungen, gewisse Mitteilungen usw. Alle diese verschiedenen Handlungen
der Verwaltungsbehörden fallen unter den Begriff des Verwaltungsaktes,
denn dieses Wort sagt nichts weiter aus, als daß es sich handelt um eine Tätigkeitsäußerung der
Verwaltung (G. Jellinek, Gesetz und Verordnung 221; Meyer--Anschütz 646; Fleiner 167). Alle
neueren Versuche, mit dem Ausdrucke Verwaltungsakt einen engeren, spezifisch juristischen Sinn
zu verbinden (über sie Kormann 13 ff.), gehen von willkürlichen Annahmen und Behauptungen
aus. Auch die Ausführung O. Mayers 1, 951, daß man als Verwaltungsakte nur obrig-
Enzyklopädie der Rechtswifsenschaft. 7. der Neubearb. 2. Aufl. Band IV. 17