262 Paul Schoen.
dieses System nur für Fälle dringender Gefahr in Bayern und Baden, indem für solche dort
(Art. 9) dem Könige, hier (& 29) den höheren Verwaltungsbehörden allgemeine und auch auf die
Strafandrohung sich erstreckende Delegationen erteilt sind. In Elsaß-Lothringen gilt im wesent-
lichen noch das französische Recht. Die Strafandrohungen sind im Gesetze enthalten. Die Be-
hörden sind nur zur Tatbestandsformulierung ermächtigt. Diese Ermächtigung ist aber im Gegen-
satze zu der in den süddeutschen Staaten in weitem Umfange eine allgemeine: der Bezirkspräsident
gilt für verordnungsberechtigt, wo eine Verordnung nötig ist zur Erhaltung de la salubrité, de
la süreté et de la tranquillité publique, und den Ortspolizeibehörden sind zwar in den Ge-
setzen spezielle Ermächtigungen erteilt, jedoch so umfassende, daß sie tatsächlich einer allgemeinen
gleichkommen (Thoma 220 f.; Loening 237 1). Endlich hat auch das Reich Ermächtigungen
zum Erlasse von Polizeiverordnungen erteilt und ist dabei bald der preußischen, bald der süd-
deutschen Gesetzgebung gefolgt. Nach dem Muster jener hat es den Marinestationschefs, den Kon-
suln und für die Schutzgebiete dem Reichskanzler und dessen Subdelegataren allgemeine und
sich auch auf die Strafandrohung erstreckende Delegationen erteilt (RG. v. 19. 6. 1883 § 2, 2; 7.4.
1900 5 51; 25. 6. 1900 8 15). Nach dem Muster dieser hat es sonst nur Ermächtigungen zum Er-
lasse von Polizeiverordnungene in bezug auf einzelne Verhältnisse erteilt und die Strafen für die
Übertretung dieser Verordnungen im Gesetze selbst angedroht (RStrG#B. § 145, GewO. 5§8 120e,
1474; R. v. 14. 5. 1879 8§ 6, 8). Zu beachten ist jedoch, daß durchaus nicht immer da, wo in
einem Reichsgesetze für die übertretung bestimmter polizeilicher Verordnungen Strafen angedroht
sind, auch eine reichsgesetzliche Ermächtigung zum Erlasse dieser Verordnungen erteilt ist; viel-
fach handelt es sich hier lediglich um eine Verweisung auf Polizeiverordnungen, bei der der Reichs-
gesetzgeber davon ausgeht, daß die Delegation zu ihrem Erlasse durch Landesgesetz erfolgt ist
oder zu erfolgen hat. So z. B. bei den sog. Blankettstrafgesetzen in Abschnitt 29 des RStrG.
§§ 366 10, 3675, 368 1, :, 5 usw.; wo es an der erforderlichen landesgesetzlichen Delegation fehlt
— sie ist da, wo die Polizeibehörden generell ermächtigt sind, ohne weiteres vorhanden —, können
die Polizeibehörden also nicht die Verordnungen erlassen, auf die diese Strafandrohungen ver-
weisen, denn das Reich hat sie zum Erlasse derselben nicht ermächtigt (Rosin 71 ff.; Thoma 221,
225, 317).
Selbstverständlich findet alles Polizeiverordnungsrecht seine Grenze
am polizeilichen Interesse. Daher können auch Polizeibehörden, die ganz allgemein zum Erlasse
von Polizeiverordnungen ermächtigt sind, von ihrem Verordnungsrechte nur da Gebrauch machen,
wo es sich um den Schutz gerade dieser Interessen handelt; s. oben S. 207. Eine weitere Grenze,
die dem möglichen Inhalte aller Polizeiverordnungen gezogen ist, ergibt sich daraus, daß ihre
Rechtsvorschriften lediglich auf Grund der gesetzlichen Ermächtigung verbindlich sind. Die Polizei-
verordnung darf daher keine Bestimmungen enthalten, die über diese Ermächtigung hinaus-
gehen, insbesondere, soweit die Ermächtigung nicht etwas anderes gestattet, keine Normen, die
mit übergeordneten Rechtsvorschriften, wie es vor allem die Gesetze und die Polizeiverordnungen
höherer Polizeibehörden sind, im Widerspruche stehen. Um die Innehaltung dieser Grenze zu
sichern, sind die niederen Polizeibehörden gesetzlich verpflichtet, ihre Verordnungen alsbald
der höheren Polizeibehörde zur Kenntnisnahme vorzulegen (s. unten V); oder es ist sogar das
Inkrafttreten der Polizeiverordnung der niederen Behörde davon abhängig gemacht, daß die
höhere die Verordnung bestätigt oder doch binnen bestimmter Zeit keinen Widerspruch gegen
sie erhebt. Endlich findet das Polizeiverordnungsrecht der Landesbehörden noch eine allgemeine
Grenze an dem Reichsrechte, indem ihm durch dieses bereits mit Strafe bedrohte Handlungen
und Unterlassungen entrückt sind (EEG.Str GB. § 2), und weiter auch das Reichsrecht die Arten
und das Maximum der in Polizeiverordnungen anzudrohenden Strafen bestimmt hat (das. § 5).
III. Was die zum Erlasse von Polizeiverordnungen ermächtigten
Behörden anlangt, so sind in den Einzelstaaten und ebenso im Reichslande gewöhnlich alle
mit der Polizeiverwaltung betrauten Behörden auch zum Erlasse von Polizeiverordnungen
innerhalb ihres Amtsbezirkes ermächtigt. Allerdings nicht überall in gleicher Weise. Während
in den Mittelstaaten die Landesherren und Minister gegenständlich in demselben Umfange er-
mächtigt sind, Polizeiverordnungen zu erlassen, wie die mitteleren und unteren Polizeibehörden,
stehen die Gesetzgebungen Preußens und einiger norddeutscher Kleinstaaten (Braunschweig) wie-
auch das in Elsaß-Lothringen maßgebende französische Recht auf dem Standpunkte, daß die von.