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geber mit diesen grundgesetzlichen Bestimmungen die Entschädigungspflicht nicht nur für die
eigentlichen Expropriationen, die in dem besonders ausgestalteten Expropriationsverfahren
stattfinden, hat anerkennen wollen, sondern für alle materiell diesen gleichartige Fälle, in
denen jemandem im öffentlichen Interesse wider seinen Willen bestimmte vermögenswerte
Rechte entzogen und in das öffentliche Gut oder das Vermögen eines anderen überführt werden
(Entsch. RG. i. Z. S. 64, 184, betr. Zuziehung eines unter dem Straßenkörper befindlichen
Kellerraumes, der Kanalisationsarbeiten hinderlich ist, zur öffentlichen Straße mittels pol.
Verf.: Erk. RG. bei Gruchot 37, 1014 u. 39, 881, betr. Entziehung von Sondernutzungs-
rechten an öffentlichen Sachen). Im übrigen geben die Bestimmungen der Landesgesetz-
gebungen über die Gewährung öffentlichrechtlicher Entschädigungen ein buntes Bild ab;
wo die eine eine solche zuspricht, hat die andere sie versagt; vgl. z. B. betr. Entschädigungs-
gewährung wegen Verhängung einer Bausperre Pr. G. v. 2. 7. 1875 § 13: Bad. G. v. 15. 10.
1908 §§ 6, 30 Allgemeine Grundsätze sind nur vereinzelt ausgesprochen, so in der Württ.
VerfUrk. § 95 (Bühler, Zuständigkeit d. Ziv Ger. gegenüber d. Verw. i. württ. R., Stuttgart
1911, 94 ff.), Brem. Verf. § 15, im Hamb. G. v. 11. 8. 1859, wonach der Staat für alle Ver-
fügungen der Verwaltungsbehörden entschädigen will, durch die jemand in seinem Privatrechte
verletzt ist, und vor allem in der Einleitung zum Pr. ALR. § 75, nach dem der Staat gehalten ist,
„„denjenigen, welcher seine besonderen Rechte und Vorteile dem Wohle des gemeinen Wesens
aufzuopfern genötigt ist, zu entschädigen“. Diese weittragende Bestimmung des ALsR. steht
jedoch nicht mehr in vollem Umfange in Kraft. Sie ist vielmehr durch KabO. v. 4. 12. 1831
dahin beschränkt, daß sie einen Entschädigungsanspruch nur geben soll, wenn ein zum Privat-
rechte gehöriges Recht ausgeopfert und überdies die Aufopferung durch einen auf dem Gebiete
der inneren Verwaltung liegenden Staatsakt verursacht ist (Anschütz 76 ff.; Dreyer, Verwrch. 17,
212 ff.). Auch kann aus ihr selbstverständlich überall da kein Anspruch erhoben werden, wo
spätere Spezialgesetzgebung die Entschädigungsfrage geregelt hat, z. B. Fischereig. v. 30. 5. 1874
*l 32, Wasserg. v. 7.4. 1913 5 45. Das Reich hat nur für bestimmte Fälle, wie ihm die Materien
in die Hand kamen, die Entschädigungspflicht gesetzlich anerkannt, so z. B. in dem RG., betr. die
Entschädigung der im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Personen v. 20. 5. 1898;
R., betr. die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft v. 14. 7. 1904; R. v.
30. 6. 1900 5 28 (Entschädigung von Arbeitern für den Lohnausfall infolge sanitarischer Ab-
sonderung); RG. v. 26. 6. 1909 8 66 (Entschädigung für in Veranlassung einer Seuche getötetes
Vieh); GewO. § 51 (Entschädigung wegen Untersagung der ferneren Benutzung einer ge-
werblichen Anlage). Wie durch gesetzte Norm, so kann aber zweifellos auch durch von der
Rechtsüberzeugung getragene Übung eine Entschädigungspflicht begründet werden. Ist zwar ein
allgemeiner gewohnheitsrechtlicher Satz des Inhalts, daß überall, wo ein besonderes Opfer ge-
bracht ist, oder wo es die Billigkeit erfordert, ein Schadensersatzanspruch gegeben ist, nicht nach-
weisbar, so kann sich doch für einzelne bestimmte Fälle die gewohnheitsrechtliche Anerkennung
einer Entschädigungsfplicht nachweisen lassen. Ebenso Fleiner 271 f. Ob man jedoch, wie
Fleiner will, annehmen darf, daß durch solches Sondergewohnheitsrecht auch eine Ent-
schädigungspflicht des Staates zugunsten der Hauseigentümer begründet ist, deren einer
öffentlichen Straße anliegende Häuser durch Veränderungen der Straße geschädigt werden,
scheint zweifelhaft, da die Rechtsprechung die erforderliche gleichheitliche übungm nicht doku-
mentiert. Anders als durch Annahme eines Gewohnheitsrechts läßt sich aber hier die Schadens-
ersatzpflicht nicht konstruieren. Über die ganze überaus bestrittene Frage der Anlieger-
entschädigung Nachweisungen bei Anschütz 111, Gierke, Priv R. 2, 28 38.
III. Verpflichtet zur Gewährung des Schadensersatzes ist der Staat, der Selbstverwaltungs-
körper oder mit einem öffentlichen Untermehmen beliehene Private, zu dessen Gunsten der
schädigende Eingriff stattgefunden hat. Die Höhe der Entschädigung bemißt sich nach den oben
S. 273 angegebenen Grundsätzen. Zuständig für die Entscheidung über den Entschädigungs-
anspruch sind die Zivilgerichte.