Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Deutsches Staatsrecht. 25 
Befehle zu zwingen. Und sie besitzen diese Macht zu eigenem Recht, sie tragen sie von niemand, 
auch vom Reiche nicht, zu Lehen (s. hierüber weiter unten 8 10). 
III. Subjiekt, Organe, Träger der Staatsgewalt. — Subjekt, d. h. Inhaber der 
Staatsgewalt ist in jedem Sinne der Staat selbst. Den Normalfall des souveränen 
Staates gesetzt, so ist -bSouverän“ allein der Staat als solcher, als Gesamtpersönlichkeit, 
nicht aber der Fürst, noch das Volk (wofern es überhaupt möglich wäre, letzteres abgesondert 
und losgelöst von seinem Staate noch als rechtliche Einheit, als Personeneinheit zu denken; 
oben §& 1, 11), noch ein Teil des Volkes, etwa (in Aristokratien) die herrschende Gesellschaftsklasse. 
Dieser Satz, das Prinzip der „Staatssouveränetät“ (der Ausdruck setzt bei jedem Staate all- 
gemein Souveränetät voraus, was, wie oben II gezeigt, nicht richtig ist) gilt überall und für jed- 
weden Staat, unangesehen der Verfassungsform. Er ist für die absolute Monarchie so un- 
anfechtbar wie für die Demokratie, er trifft für Rußland ebenso zu wie für die Schweiz. 
Denn überall, wie er auch organisiert, verfaßt sein mag, ist der — moderne — 
Staat das Gemeinwesen des gesamten Volkes und die Staatsgewalt ist der Wille dieses 
Gemeinwesens. Gegen diese Auffassung über das Subjekt der „Souveränetät“ (richtiger: 
der Staatsgewalt) wird eingewendet, daß die Verallgemeinerung, ein Hinwegsehen über die 
Verschiedenheit der Verfassungsform hier unzulässig sei; in der absoluten Monarchie, aber auch 
in den meisten konstitutionellen Einherrschaften, gelte das Prinzip der monarchischen 
(Fürsten-Souveränetät, in den Demokratien dagegen und den sog. demokratisch-konstitutio- 
nellen Monarchien (Belgien, Norwegen) der Grundsatz der Volks souveränetät. Dieser, 
durch den Wortlaut mancher Verfassungsurkunden unterstützte Einwand verliert seine Kraft, 
wenn man sich gegenwärtig hält, daß die herkömmlichen Ausdrücke „Fürsten-“ bzw. „Volks- 
souveränetät“ auf einer Verwechselung der Begriffe „höchste Gewalt des Staates“ und 
„höchste Gewalt im Staate“ beruhen. Hierauf wurde bereits oben S. 22 hingewiesen. Die 
Bezeichnungen „Fürsten-“ und „Volkssouveränetät“ enthalten nicht Aussagen über das Subjekt 
der Staatsgewalt, sondern über die Frage der obersten Organschaft im Staat, 
über die Frage, welche Person oder Personenverbindung als Träger der Staatsgewalt 
anzusehen ist. Man pflegt in diesem Sinne von Volkssouveränetät schon dann und da zu 
sprechen, wenn zwar nicht die Gesamtheit aller Staatsbürger unmittelbar selbst, sondern ein 
von dieser Gesamtheit gewähltes Kollegium, kurz ein Parlament, eine Volksvertretung das 
Heft der Staatsgewalt in der Hand hat, den in letzter Instanz ausschlaggebenden politischen 
Machtfaktor darstellt. 
Der sog. „Träger der Staatsgewalt“ ist nichts anderes als eine besondere Art Organ des 
Staates. 
Wie jede juristische Person (Korporation, Anstalt), so bedarf auch der Staat physischer 
Personen, welche, sei es als einzelne, sei es gruppiert, berufen sind, den Staatswillen zu bilden, 
zu erklären, zu vollziehen, namens des Staates zu wollen und zu handeln. Das sind die Organe 
des Staates. In ihnen wird die, nicht erdichtete, freilich aber gedachte, reale, wenn- 
gleich nicht greifbare Staatspersönlichkeit leibhaftig, sie wird gegenwärtig gemacht, re- 
präsentiert. 
Nichts anderes nun als ein Staatsorgan, aber in einem eminenten Sinne, ist auch der 
„Träger' der Staatsgewalt, d. h. diejenige Person oder Mehrheit von Personen, welche 
den Staat voll repräsentiert, demnach befugt und berufen ist, die Staatsgewalt als Ganzes 
und in allen in ihr liegenden einzelnen Betätigungsformen selbst auszuüben und im Zweifels- 
falle die Vermutung der Alleinberechtigung zur Ausübung der Staatsgewalt auf ihrer Seite 
hat. Die Unterscheidung der Staatsformen oder Verfassungsformen, insbesondere die Gegen- 
überstellung von Monarchie und Demokratie beruht, wie bereits angegeben, auf spezifischen. 
Verschiedenheiten in der Konstruktion des Trägers der Staatsgewalt. 
Wer immer auch in einem bestimmten Staate als Träger der Staatsgewalt anzusehen 
ist: Monarch, Parlament, Gesamtheit der stimmberechtigten Staatsbürger, — gewiß ist, daß 
zwischen dem Träger und den anderen Staatsorganen überall nur ein quantitativer, gradueller 
Unterschied obwaltet. Auch der „Träger“ ist Staatsorgan, auch seine Stellung ist nicht 
Herrschaft über den Staat von außen und oben her, sondern Organschaft im Staat. Auch
	        
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