308 Paul Schoen.
das Gericht dafür hält, daß nach dem vorliegenden Tatbestande das Lokal den polizeilichen An-
forderungen nicht genügt oder die Bedürfnisfrage nicht zu bejahen ist, so steht dieses Urteil
einer Erneuerung des klägerischen Antrages, die Anderung der für das Urteil maßgebend ge-
wesenen tatsächlichen Verhältnisse behauptet, nicht entgegen. Die Polizei und eventuell das
Verwaltungsgericht müssen sich auf solchen hin in eine neue Sachprüfung einlassen und über
den neuen Antrag auf Grund der jetzigen tatsächlichen Verhältnisse neu entscheiden (Pr. OVG.
5, 293 m. and. Begr.; dazu v. Stengel, Org. 524; O. Mayer, Arch. 52; W. Müller 44). Bei
den häufig vorkommenden Urteilen, die Klagen gegen polizeiliche Verfügungen abweisen, ist noch
besonders zu beachten, daß sie lediglich die Feststellung enthalten, daß Kläger einen Anspruch
auf Aufhebung der Verfügung nicht hat; die Rechtskraftwirkung des Urteiles hindert also die
Behörde nie, die Verfügung aufzuheben und in der Sache Neues anzuordnen.
Die Rechtskraft bindet außer den Verwaltungsgerichten nur die Parteien (i. S. der Ver-
waltungsgerichtsgesetze) und die Beigeladenen als diejenigen, die allein in der Lage waren, durch
Prozeßhandlungen den Ausgang des Prozesses zu beeinflussen. Ist also in einem Prozesse
die Behörde selbst, nicht der Staat, Partei gewesen (oben S. 299), so bindet das Urteil nur die
betreffende einzelne Behörde, diese natürlich ohne Rücksicht auf einen etwaigen Personenwechsel
in ihren Trägern. Eine weitergehende Wirkung kann der Rechtskraft nur zuerkannt werden,
wo der Gesetzgeber sie ihr ausdrücklich beigelegt hat, wie es in Sachsen und Hessen geschehen
ist (Sachs. § 61: „Das Urteil bindet außer den Parteien sowohl die Verwaltungsgerichte
als auch die Verwaltungsbehörden“; Hess. Art. 67). Diese subjektive Grenze der Rechts-
kraftwirkung gilt ihres Grundes wegen für alle Urteile, auch für die, welche über eine
gewisse Eigenschaft einer Person oder Sache (Status) entscheiden, wie über den Besitz des
Bürgerrechtes, die Offentlichkeit oder Nichtöffentlichkeit eines Weges, die Geschlossenheit oder
Nichtgeschlossenheit eines Gewässers i. S. d. pr. Fischereig. v. 30. 5. 1874 +& 4, die Eigen-
schaft einer Ortschaft als Gemeinde oder Gutsbezirk, die Gültigkeit einer Wahl, deren Fest-
stellung also allgemein, nicht nur inter partes gelten soll. Wird die Feststellung dieser
Urteile demnächst von einem am Prozesse weder als Partei noch als Beigeladener beteiligt
gewesenen Dritten bestritten, so kann dieser nicht auf die res judicata verwiesen werden.
Der Richter muß neu entscheiden, ist allerdings durch das erste Urteil gebunden, denn er kann
nicht dem A. gegenüber entscheiden, daß eine Wahl gültig ist, die er im Vorprozesse dem B.
gegenüber für ungültig erklärt hat. Das ist aber etwas anderes als eine Rechtskraftwirkung
inter omnes, die den Urteilen in Statussachen häufig irrtümlich beigelegt wird (Schultzenstein,
Verw. Arch. 11, 406; unklar auch Pr. O. 26, 122).
Die Frage, ob der Richter die Rechtskraft eines früheren Urteiles von Amts wegen oder
nur auf Antrag der (siegreichen) Partei zu berücksichtigen hat, ob, wie man gewöhnlich formu-
liert, die Rechtskraft eine absolute oder relative ist, ist wie für den Zivilprozeß auch
für den Verwaltungsprozeß bestritten. Allein, wie die herrschende Doktrin für jenen jetzt die
absolute Rechtskraft propagiert, so behauptet die Mehrzahl der Publizisten sie auch für den Ver-
waltungsprozeß, indem sie richtig darauf hinweisen, daß die öffentlichen Interessen, um deret-
willen das Rechtskraftinstitut anerkannt ist: Rechtsgewißheit, Verhinderung unnötiger Belästi-
gung der Gerichte und widersprechender Entscheidungen, nur bei Annahme der absoluten Rechts-
kraft sichergestellt sind — Gründe, aus denen auch das Pr. O. sich vorbehaltlos für diese
erklärt hat (31, 304). Für die relative Rechtskraft tritt besonders O. Mayer ein, der sie als Recht
der Partei am Urteile auffaßt, das sowohl durch Geltendmachung der Rechtskraft wie durch rechts-
wirksamen Verzicht auf diese ausgeübt werden kann, und sie neben der absoluten gelten lassen
will; die relative Rechtskraft, die, wo sie mit absoluter zusammentrifft, durch diese verdeckt wird,
soll praktische Bedeutung haben, einmal, wo die absolute ausbleibt, und sodann im Verhältnisse
der Partei zu den Verwaltungsbehörden, die Mayer der Partei gegenüber stets an das verwaltungs-
gerichtliche Urteil gebunden hält. Allein nach der hier vertretenen Ansicht bleibt die vom Urteil
ausströmende Rechtskraft (die absolute) nirgends aus, denn jedes Urteil enthält eine Feststellung,
und diese geht in Rechtskraft über, auch wenn sie lediglich nach freiem Ermessen vom Richter
getroffen ist (anders Maher: Heim 258). Die Meinung aber, daß die ganze vollziehende
Gewalt an das Urteil gebunden ist, trifft nur für Sachsen und Hessen zu, wo solches aus-
drücklich bestimmt ist; in anderen Rechtsgebieten, namentlich in Preußen, ist die Verwaltungs-