Deutsches Verwaltungsrecht. 309
behörde an ein verwaltungsgerichtliches Urteil nur gebunden, wenn sie oder der Staat an
dem dem Urteil vorangehenden Prozesse als Partei oder Beigeladener beteiligt war (Kunze
57, 71). Daß die an das Urteil gebundene Behörde mit Zustimmung der Parteien und
Beigeladenen vom Urteil Abweichendes verfügen kann, was gleichfalls das sächsische und
das hessische Gesetz vorsieht, ist darum aber nicht auch eine lediglich auf Sachsen und Hessen
beschränkte Rechtserscheinung. Wie die Parteien des Zivilprozesses über das rechtskräftige
Urteil hinweg durch Vereinbarung das festgestellte Rechtsverhältmis anderweit regeln können
(Heim 278), so kann bei Einverständnis der Beteiligten auch von dem durch verwaltungs-
gerichtliches Urteil Festgestellten Abweichendes verfügt werden. Dabei handelt es sich aber
nicht darum, daß die Parteien auf die Geltendmachung ihres Rechtes am Urteil verzichten,
um einen Fall, in dem die relative Rechtskraft zutage tritt so Mayer), sondern um eine
von der Urteilsfeststellung unabhängige Neuregelung der Rechtsbeziehungen, die jene und ihre
Rechtskraft unberührt läßt, sie nur gegenstandslos macht für die Zukunft (vgl. auch Spiegel 124).
8 31. Die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegenüber der Verwaltung.
Literatur: Loening 1 201; O. Mayer s 16, 17; Fleiner 16; v. Sarwey
(. oben S. 291) 88 17 ff.; Göz (das.) ös 2, 5; Wach, Handb. d. deutsch. Zivilprozesses ## 8;
Oppenhoff, D. pr. Gesetze über die Ressortverhältnisse, Berlin 1863; Stölzel, Rechtspr.
d. Gerichtshofs zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte, Berlin 1897; derselbe, Rechtsweg
und Kompetenzkonflikt, Berlin 1901; Droop, D. Rechtsweg i. Pr., Berlin 1899.
Die ordentlichen Gerichte sind grundsätzlich berufen, über „bürgerliche“, d. h. im großen
ganzen so viel wie über Streitigkeiten aus Rechtsverhältnissen des Privatrechtes (oben S. 213) und
über den Strafanspruch des Staates zu entscheiden. Allein es ist ihnen darum doch nicht jede
Zuständigkeit in Verwaltungssachen versagt. Unter Umständen sind sie vielmehr auch berufen,
über aus der Verwaltung entspringende öffentliche Rechtsverhältnisse zu entscheiden, und ge-
währen dann dem einzelnen auch Rechtsschutz gegenüber der Verwaltung. Und zwar sind
1. durch die Reichsgesetzgebung wie die Landesgesetzgebungen eine Reihe öffentlichrecht-
licher Ansprüche, welche auf Leistung von Vermögenswerten gehen, den Zivilgerichten zur Ent-
scheidung zugewiesen — es ist für sie nach dem gesetzlichen Sprachgebrauche der „Rechtsweg“ offen-
gestellt; vgl. auch oben S. 293 —; so die Ansprüche der Richter, der staatlichen und kommunalen
Verwaltungsbeamten und deren Hinterbliebenen auf Gehalt, Wartegeld, Ruhegehalt, Witwen-
und Waisengelder (GVG. § 9, RBeamtWG. § 149; Pr. G., betr. Erweiterung d. Rechtsweges v.
24. 5. 1861 § 1, Kommunalbeamt G. v. 30.7. 1899 § 7, Württ. G. v. 16. 12.1876 Art. 2, 1, v. 25.6.
1894 Art. 34; Bay. 9. VersBeil. § 29), Entschädigungsforderungen aus Eingriffen der öffentlichen
Gewalt in Privatrechte (z. B. GewO. 851; RRayon G. ö5 40—42; R. 13. 6.1873 834; v. 18. 12.
1899 5 13; Pr. G. v. 11. 5. 1842 § 4; die Bestimmungen der Enteignungsgesetze, nach denen die
von der Verwaltungsbehörde getroffene Entschädigungsfestsetzung mittelst Klage beim ordentlichen
Gerichte angefochten werden kann, oben S. 274), Bestreitungen der Verpflichtung zur Entrichtung
von Steuern und Gebühren (z. B. RStempelW. v. 15. 7. 1909 894; PostW G. v. 28. 10. 1871 5 25;
Pr. G. v. 24. 5. 1861 §§9—15, Pr. Stempelb. v. — § 26). Es gehören hierher jedoch
keineswegs alle Streitigkeiten, in denen der Beschreitung des Rechtsweges eine Verwaltungs-
entscheidung, sog. Verwaltungsprovisorium vorangehen muß oder kann. Es handelt sich bei diesen
Streitigkeiten vielfach um Streitigkeiten rein privatrechtlicher Natur, die dieser nach ohne weiteres
vor die Zivilgerichte gehörten; der Gesetzgeber verweist jedoch die Parteien zunächst auf den
Verwaltungsweg oder eröffnet ihnen diesen wenigstens, um zunächst einmal eine schleunige
Streitentscheidung herbeizuführen. Diese ergeht und wird eventuell auch vollstreckt unter „Vor-
behalt des Rechtsweges“, d. h. die Parteien können gegen sie das Zivilgericht anrufen, und mit
der Entscheidung dieses, die in keiner Weise von der Verwaltungsentscheidung abhängig ist,
verliert die Verwaltungsentscheidung jede Bedeutung (vgl. z. B. GewO. 8§ 75, 127 d; Rötran-
dungs O. v. 17. 5. 1874 §§ 36 ff.; SeemannsO. v. 2. 6. 1902 5§ 57, 129, 130; Gewerbeger G. v.
29. 7. 1890 § 76 ff.; Pr. Vdg. v. 26. 12. 1808 F 42; Gesinde O. für d. Rheinprov. v. 19. 8.
1844 Ss 47, 48, Neu-Vorpomm. v. 11. 4. 1845 § 171, Kgr. Sachs. v. 10. 1. 1835 §N. 123).