Deutsches Verwaltungsrecht. 313
geeignet sei, die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zu beschränken, und verlangte Entscheidung
der Kompetenzkonflikte durch unabhängige Behörden. Und dieser Strömung folgte dann auch
die weitere Gesetzgebung. In Sachsen wurde 1835 (G. v. 28. 1. A 5 18 u. G. v. 13. 6. 1840),
in Preußen 1847 (G. v. S. 4.), in Bayern 1850 (G. v. 28. 5.), die Entscheidung der Kompetenz-
konflikte einem besonderen Gerichtshofe übertragen, und bald trafen auch mehrere deutsche
Kleinstaaten die gleiche Einrichtung.
Eine abermalige Umgestaltung der einzelstaatlichen Einrichtungen veranlaßte dann jedoch
das Inkrafttreten des Reichsgerichtsverfassungsgesetzes, dessen § 17 ein Kompromiß darstellt
zwischen den Gegnern aller besonderen Kompetenzgerichtsbarkeit, die, wie über jeden anderen
Inzidentpunkt des Prozesses, auch über die Kompetenzfrage die Gerichte souverän entscheiden
lassen wollten, und den Bundesregierungen, die eine Umgestaltung des Partikularstaatsrechtes,
wie sie diese Strömung bezweckte, ablehnten. Der Absatz 1 des § 17 stellt den Grundsatz auf:
„Die Gerichte entscheiden über die Zulässigkeit des Rechtsweges.“ Der Absatz 2 aber schränkt
die praktische Bedeutung dieses Grundsatzes wieder ein, indem er den Landesgesetzgebungen
gestattet, die Entscheidung von Kompetenzkonflikten auch anderen Behörden, deren Bildung
und Verfahren allerdings gewissen Normativbestimmungen unterworfen ist, zu übertragen;
nur dürfen diese Behörden nicht mehr angegangen werden, sobald die Zulässigkeit des Rechts-
wegs durch rechtskräftiges Urteil des Gerichtes feststeht. Und § 17 des Einf G. z. GVG. hat die
Ausschließung der Geltung des &+ 17 GVG. noch weiter dadurch erleichtert, daß er den Bundes-
staaten auch die Bestellung des Reichsgerichtes zum Kompetenzgerichtshofe ermöglicht hat. Auf
Grund dieser Bestimmungen ist die Entscheidung von Kompetenzkonflikten 1879 neu geregelt
in Preußen (V. v. 1. 8.; vgl. Einf. z. G. §17 2), Bayern (G. v. 18. 8.), Württemberg (G. v.
25. 8.), Baden (G. v. 30. 1.), Sachsen (G. v. 3. 3.), Hessen (v. 16. 4. 1 5, 4. 6. Art. 22), Oldenburg
(G. v. 10. 4. Art. 54, 60), beiden Mecklenburg (G. v. 19. 5.), Braunschweig (G. v. 1.74), Koburg--Gotha-
(G. v. 8. 4.), Bremen (G. v. 25.6.), Waldeck (V. v. 21.9), und zwar ist sie in Hessen dem Verwaltungs-
gerichtshofe, in Bremen dem Reichsgerichte, in allen übrigen Staaten einem besonderen Kom-
petenz--Konfliktsgerichtshofe übertragen, dessen Mitglieder die Privilegien des Richterstandes
genießen, und der nach vorgängiger mündlicher und öffentlicher Verhandlung, in der ein
Vertreter der Verwaltungsbehörde wie auch die Parteien der Rechtssache zu hören sind, als
erste und letzte Instanz entscheidet. Der in Absatz 1 des 3J 17 des G. aufgestellte Grund-
satz gilt also nur in den wenigen, nicht vorgenannten Kleinstaaten und in Elsaß-Lothringen,
desgl. bei Konflikten zwischen Gerichts- und Verwaltungsbehörden verschiedener Einzelstaaten
und bei Konflikten zwischen den Reichs verwaltungsbehörden oder Reichsverwaltungs-
gerichten und den ordentlichen Gerichten (das Reich hat einen Konfliktsgerichtshof bislang nicht
errichtet).
2. Der Kompetenzkonflikt kann nur erhoben werden von einer Verwaltungsbehörde gegen-
über den Gerichten (nicht auch umgekehrt! Es gibt also nur einen Kompetenzkonflikt gegen,
nicht aber für die Gerichte), und zwar nur in einer Sache, die bei einem Gerichte anhängig ist,
in der aber die Verwaltungsbehörde den Rechtsweg für ausgeschlossen und die Verwaltung
für zuständig hält, und nur so lange, als nicht das Gericht sich durch rechtskräftiges Urteil für
zuständig erklärt hat. Bei welchem der ordentlichen Gerichte und in welcher Instanz die Sache
anhängig ist, ist gleichgültig. Auch gegenüber dem Reichsgerichte erscheint die Konfliktserhebung
zulässig, sofern nicht die Landesgesetze, wie das württembergische (Art. 5), etwas anderes be-
stimmen. Anderer Ansicht ist allerdings das Reichsgericht selbst. Und seine Rechtsprechung
(Plenarbeschl., Entsch. Ziv S. 48, 195) hat denn auch bereits Preußen und Hessen zu neueren
gesetzlichen Bestimmungen veranlaßt (G. v. 22. 5. 1902 Art. 1 bzw. 8. 7. 1911 Art. 105), nach
denen ebenso wie in Württemberg der Kompetenzkonflikt schon nicht mehr erhoben werden darf,
wenn ein gerichtliches Urteil ergangen ist, das mit der Revision angefochten werden kann
(weitere Nachweisungen über die Frage bei Meyer-Anschütz 666 ½, 15, Stein 75). Zuständig
zur Erhebung des Konfliktes sind regelmäßig nur die zentralen und mittleren Verwaltungs-
behörden, auch dann, wenn sie nicht sich sondern eine untere Verwaltungsbehörde in der
Sache selbst für zuständig halten. Die Erhebung des Konfliktes erfolgt durch Erklärung gegen-
über dem zurzeit mit der Sache befaßten Gerichte. Sie bewirkt von Rechts wegen die Unter-
brechung des gerichtlichen Verfahrens. Die Parteien des Rechtsstreites sind an der Konflikts-