Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

324 Flesch und Hiller. 
zu unserer Verfügung stellt (Bergbau, Jagd, Landbau); die gewerbliche Tätigkeit, 
welche diese Dinge den menschlichen Bedürfnissen anpaßt, sei es, indem sie die Stoffe ver- 
ändert, sei es, indem sie dieselben an die Stelle und in die Hände bringt, welche ihrer bedürfen; 
und endlich auch die wissenschaftliche und künstlerische Arbeit, die neue, 
bisher unbekannte Stoffe entdeckt, oder die vorhandenen in den Dienst der höheren, ideellen 
Bedürfnisse des Menschen stellt. 
Diese Einteilung der menschlichen Arbeit ist natürlich nicht so scharf, daß sie der Gesetz- 
geber, der klare, bestimmte Merkmale braucht, unmittelbar für seine Vorschriften benutzen könnte. 
Immerhin lassen sich auch im positiven Recht die aufgestellten Kategorien deutlich unterscheiden. 
Der Arbeitsvertrag der Staats= und Gemeindeangestellten — selbst der Staats- und Gemeinde- 
arbeiter — ist ganz anders geregelt, als der der Angestellten und Arbeiter in der Privatindustrie; 
und innerhalb der Privatindustrie besteht wieder ganz verschiedenes Recht für den Bergbau, 
für die Landwirtschaft, für das Gewerbe, für das Unterrichtswesen usw. 
Auch rechtsgeschichtlich lassen sich die aufgestellten Kategorien sondern. Das Recht der 
gestaltenden Arbeit konnte sich selbstverständlich nicht entwickeln, solange diese der Haupt- 
sache nach nicht auf Grund von Arbeitsverträgen, sondern auf Grund von Gewaltsverhältnissen 
verrichtet wurde (in Griechenland und Rom). Aber auch später nach Verschwinden der wirt- 
schaftlichen Vorbedingungen für die Sklaverei oder Hörigkeit wurden die Gesetze der Haupt- 
sache nach von Angehörigen derjenigen Klassen geschrieben, die der Notwendigkeit ent- 
hoben waren, sich durch Arbeitsverträge zu persönlichen Leistungen zu verpflichten; sei es, 
weil sie Privatvermögen hatten, sei es, weil sie durch ihre Stellung im Staat als Berater des 
absoluten Fürsten, als Beamte usw., Macht, d. h. Verfügung über das öffentliche Ver- 
mögen hatten. Naturgemäß erschien diesen Gesetzgebern und Juristen das Recht des Arbeits- 
vertrags von ganz untergeordneter Bedeutung; immerhin aber gelangte der Arbeitsvertrag im 
gewerblichen Betrieb früher zur Bedeutung als in der verwaltenden oder pflegenden Arbeit. Zur 
Tätigkeit im Staat oder Gemeinde konnte man nur durch die Gunst der Mächtigen gelangen, und 
so ist man noch jetzt vielfach geneigt, die Arbeit im Staats- oder Gemeindedienst nicht als einfaches, 
vertraglich zu regelndes Arbeitsverhältnis, sondern als eine Art mittelalterliches Treuverhältnis 
aufzufassen. Die pflegende Arbeit dagegen, insbesondere die ärztliche Kunst, später die reli- 
giösen Motiven entspringende Tätigkeit der Mönche usw., schien überhaupt außerhalb des 
Gebiets des Arbeitsvertrags zu liegen, wie ja auch jetzt noch gerade die Krankenpflege das 
Gebiet ist, das vom Arbeitsrecht am wenigsten berührt wird, so daß vielfach geradezu von der 
Rechtlosigkeit der Krankenpflegerinnen gesprochen wird. Und auch in dem großen Gebiet der 
gestaltenden Tätigkeit läßt sich beobachten, daß in der Rohproduktion, insbesondere der Land- 
wirtschaft, der Arbeitsvertrag sich unvollkommener entwickelte als in der rein gewerblichen 
Tätigkeit. Das Herrenrecht der Verfügung über Grund und Boden schien auch die Verfügung 
über die am Grund und Boden haftenden Arbeitskräfte ganz von selbst mit sich zu bringen, 
während die gewerbliche Tätigkeit und mit ihr das gewerbliche Arbeitsrecht sich umgekehrt 
gerade in dem Maß entwickelte, in dem sich die Zahl derjenigen mehrte, die sich der Machtbefugnis. 
der Grundherren und sonstigen Gewalthaber durch Aufsuchen der Städte („die Stadtluft macht 
frei“) zu entziehen verstanden. 
Eine weitere Schwierigkeit für die scharfe Definition und rechtliche Scheidung der 
einzelnen Teile des Arbeitsrechts hängt damit zusammen, daß die Vorschriften, die das 
positive Recht enthält, vielfach ihren Ausgang nehmen von Verhältnissen, die bei ganz be- 
stimmten Arbeitsverhältnissen zuerst beobachtet wurden und der Regelung bedürftig schienen, ob- 
wohl sie bei anderen Arbeitsverträgen ganz im selben Maß vorhanden sind. So sind z. B. 
in die Gesetze, welche die Belästigung des Publikums durch gewisse Arbeitsleistungen gewerblicher 
Art verhindern sollen, auch Arbeiten ausgenommen, die nicht gewerblicher Art sind. Die Be- 
stimmungen zum Schutz der Gewerbegehilfen gegen Sonntagsarbeit wurden auf die Kaufleute 
ausgedehnt, mit denen sich das betreffende Gesetz, die Gewerbeordnung, ursprünglich überhaupt 
nicht befaßte. Umgekehrt wurden Vorschriften nur für einzelne Arbeitsverträge erlassen und 
durchgeführt, obwohl sie für andere ganz ebenso am Platz gewesen wären. Ein innerer Grund, 
warum die §§ 152 und 153 der GewO. über die Koalitionsfreiheit eben nur für die gewerb- 
lichen Arbeiter gegeben sind, besteht nicht; ebensowenig wie zu ersehen ist, warum nur
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.