Gewerberecht. 325
Dienstverpflichtete, die Dienste höherer Art zu leisten haben, schadensersatzpflichtig werden
können, wenn sie „zur Unzeit“ kündigen (§ 629 BGB.); oder warum nur den Bergleuten, die
zu „Sicherheitsmännern" bestellt sind (§ 80 EO. des preußischen Berggesetzes vom 28. Juli 1909)
und den Krankenkassenbeamten (5 354 Reichsversicherungsordnung) ein gewisser Schutz gegen
willkürliche Entlassung gegeben ist.
So ist das positive deutsche Gewerberecht, das in den folgenden Paragraphen zur Dar-
stellung gelangt, eigentlich nichts als die Zusammenstellung der Vorschriften, die bis jetzt bezüglich
der gestaltenden Arbeit erlassen und mitunter, aus dem oder jenem Zweckmäßigkeitsgrund,
auch auf andere Arten der Arbeit ausgedehnt, oder für einzelne Arten der gestaltenden Arbeit
für unanwendbar erklärt wurden. Für sich allein können diese Vorschriften ein System kaum
bilden; das Ganze, zu dem sie gehören, wäre das einheitliche deutsche Arbeitsrecht, das noch
zu schaffen ist.
Zweiter Abschnitt.
Das Gewerberecht im Deutschen Reich.
1. Einleitung. Begriff des Gewerberechts. Begrenzung
des Stoffes.
§ 4. Obschon das Arbeitsrecht seither in Gesetzgebung, Wissenschaft und Praxis nicht
als besonderer Teil unseres Privatrechtssystems behandelt ist, und obwohl namentlich die Ge-
werbeordnung, die vielfach als eine Art Kodifikation des Arbeitsrechts angesehen wird, in einer
ziemlich systemlosen Zusammenfügung verschiedenartiger Rechtsvorschriften besteht, so muß
doch der Versuch unternommen werden, eine feste Begriffsbestimmung des Gewerbes nach
deutschem Recht zu gewinnen.
Das Gewerberecht bildet den Inbegriff derjenigen Normen des Arbeitsrechtes, die sich
insbesondere auf die gewerbliche Tätigkeit beziehen. Es gehören darum nicht hierher Normen,
welche die rechtlichen Beziehungen der Personen regeln, Personen= und Familienrecht, ebenso-
wenig die Vorschriften des Vermögensrechts. Dagegen umfaßt das Gewerberecht die sich auf
die gewerbliche Tätigkeit beziehenden Normen ohne Unterschied, ob es sich um selbständige oder
unselbständige Gewerbetreibende (Unternehmer oder Gehilfen) handelt. Unter gewerb-
licher Tätigkeit aber versteht man die objektiv erlaubte, mit Fort-
setzungsabsicht zum Erwerb betriebene, bestimmt umschriebene
Tätigkeit, die nicht Urproduktion ist.
Daß die Tätigkeit ihrem Inhalt nach rechtlich erlaubt sein muß, ist ein Begriffsmoment,
welches auch auf anderen Gebieten unserer Rechtsordnung wiederkehrt, denn den Schutz der
Rechtsordnung genießt niemals eine Tätigkeit, die ein Jedermann verbotenes Tun darstellt.
Nicht zu verwechseln hiermit ist das subjektiv rechtswidrige Tun, wie z. B. der Branntwein-
schank ohne Erlaubnis, der unbefugte Nachdruck usw.; diese Handlungen stellen gewerbliche
Tätigkeiten dar. Ferner muß die Tätigkeit, um gewerblich zu sein, mit Fortsetzungsabsicht be-
trieben werden, d. h. mit der Absicht auf eine gewisse Dauer oder Wiederholung, so daß man
von einem berufsmäßigen Handeln sprechen kann; eine einmalige Betätigung, selbst mit Ge-
winnabsicht, wie sie z. B. bei einer gelegentlichen Hausschlachtung vorliegt, genügt nicht. Daß
es sich für die gewerbliche Tätigkeit im positiv-rechtlichen Sinne in der Regel um eine bestimmt
umschriebene Tätigkeit handeln muß, beruht nicht auf innerer Notwendigkeit, sondern auf der
historischen Entwicklung der Dinge. Denn die Unbestimmbarkeit der Dienste schließt in manchen
Arbeitsverhältnissen, wie z. B. dem der Handlanger, Gelegenheitsarbeiter u. ähnl., den
Charakter gewerblicher Dienste ebensowenig aus, wie anderseits Gewerbegehilfen im engeren
Sinne diese Eigenschaft verlieren, wenn sie — vielleicht in noch höherem Maße als beispiels-
weise die Feldarbeiter eines großen Gutes — durch Teilung der häuslichen Gemeinschaft vom
Brotherrn in ein starkes Abhängigkeitsverhältnis geraten.