326 Flesch und Hiller.
Die Gewinnabsicht ist das hervorstechendste Moment im Gewerbebegriff, so daß, wo sie
ermangelt, ja selbst da, wo sie nicht an erster Stelle steht, das Vorliegen gewerblicher Tätigkeit
verneint werden muß. Aus diesem Grunde scheidet aus dem Gebiet gewerblicher Tätigkeit
aus: die gesamte öffentliche Verwaltung. Bei ihr steht im Vordergrunde die Sorge für das
öffentliche Wohl. Reich, Staat, Gemeinde und andere Korporationen des öffentlichen Rechts
betreiben ihre Anstalten im wesentlichen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben, so das Reich
die Post, die Telegraphie und das Fernsprechwesen; der Staat Unterrichtsanstalten; die Ge-
meinde Armenhäuser, Kanalisationen, Desinfektionsanstalten; die Versicherungsanstalten Er-
holungsheime; die Krankenkassen Krankenhäuser usw. Sobald freilich die Erwerbsabsicht in
den Vordergrund tritt, liegt Gewerbebetrieb vor, so im allgemeinen bei Banken, Elektrizitäts-
werken, Lagerhäusern und dgl. Daß gleichwohl der Direktor eines Staatsbetriebes nicht
selbst als Gewerbetreibender anzusehen ist, liegt eben daran, daß für den gesamten öffentlichen
Dienst nicht die Besoldung, selbst wenn sie mit einem Gewinnanteil verbunden sein sollte, die
Hauptsache ist, sondern die Ausübung einer öffentlichen Gewalt durch die betreffende Person.
Ehren= und Gewissenhaftigkeit dieser Gewaltausübung pflegt durch eine feierliche Verpflichtung
gesichert zu werden. Erstreckt sich eine solche Verpflichtung allerdings nur auf ganz bestimmte
Vorschriften, so kann auch die öffentliche Anstellung dem Betreffenden nicht die Eigenschaft
einer gewerbstätigen Person nehmen. Deshalb sind Feldmesser, Auktionatoren, Bücherrevisoren
und die im § 36 der GewO. benannten Personen auch im Falle der Beeidigung und öffentlichen
Anstellung doch keine Beamten, sondern Gewerbetreibende, genießen also auch kein Beamten-
steuerprivileg usw.; nur die Fleischbeschauer sind zufolge ausdrücklicher Vorschrift des § 1 des
Reichsgesetzes, betreffend die Schlachtvieh- und Fleischbeschau vom 3. Juni 1900, öffentliche
Beamte.
Aus dem gleichen Gesichtspunkt, daß nämlich die Erwerbsabsicht in den Hintergrund tritt,
scheidet aus dem Gebiet des Gewerbes alle künstlerische, wissenschaftliche, seelsorgerische, unter-
richtende und schriftstellerische Tätigkeit aus. Allen diesen Berufen ist die Pflege des Idealen
gemeinsam, während der Erwerb von Subsistenzmitteln in zweiter Linie steht. Voraussetzung.
aber für die ideale Betätigung ist auf allen diesen Gebieten, soweit es sich um das Können handelt,
eine höhere Bildung und bei den Wissenschaftlern eine höhere wissenschaftliche Befähigung.
Niedere Kunstleistungen, wie Tanzmusik, Tingeltangel, Spezialitätentheater sind Gewerbe.
Ferner ist zufolge ausdrücklicher Vorschrift im § 32 der GewO. der Schauspielunternehmer
immer Gewerbetreibender. Die Erteilung von Tanz-, Turn-- und Schwimmunterricht, Winkel-
advokatur, Kurpfuscherei und ähnliche, eine höhere wissenschaftliche Bildung nicht voraussetzende
Tätigkeiten sind Gewerbe.
Die Gewinnabsicht spielt eine untergeordnete Rolle auch in der hauswirtschaftlichen
Tätigkeit. Diese geht nicht darauf aus, Gewinn zu erzielen, sondern eine möglichst sparsame
Wirtschaft zu führen. Deshalb sind Haushaltführung und Verwaltung des Hausbesitzes eben-
sowenig gewerbliche Tätigkeiten, wie der Betrieb von Vereinsveranstaltungen für die Mit-
glieder in eigener Regie, insbesondere in Konsumvereinen, deren Wirtschaftstätigkeit sich auf
ihre Mitglieder beschränkt. Wo Gewinnabsicht fehlt, liegt auch keine gewerbliche Tätigkeit vor,
so bei allen Veranstaltungen zu rein gemeinnützigen und anderen idealen Zwecken (öffentliche
Sparkassen, Bibliotheken, Krankenanstalten, Kindergärten, Arbeitersekretariate und ähnliches.
mehr).
Aus dem Bereich der gewerblichen Tätigkeit scheiden ferner nach der historischen Ent-
wicklung unserer Gesetzgebung alle Arbeitsverträge der Rohproduktion aus, also alle auf un-
mittelbare Gewinnung von Naturprodukten gerichtete Tätigkeiten. Nicht zum Gewerbe gehört
also die gesamte Land= und Forstwirtschaft, einschließlich der Jagd- und Fischerei, Gartenbau und
Weinbau, sowie Viehzucht. Das gleiche gilt von Bergwerken, Salinen, Brüchen und Gruben.
Allerdings ist angesichts dessen, daß wohl jedes Rohprodukt zur besseren Verwertung einer ge-
wissen Verarbeitung bedarf, die Grenzlinie zwischen Rohproduktion und gewerblicher Tätigkeit
oft schwer zu erkennen; im allgem einen aber ist festzustellen, daß dort, wo eine Verarbeitung
über die Herstellung oder Zutageförderung wesentlich hinausgeht, oder wo die Verwertung sich
von der Person des Urproduzenten überhaupt trennt, Gewerbebetrieb gegeben ist. Fälle der
ersteren Art sind: die Branntweinbrennerei, die Rübenzuckerfabrik, die Ziegelei; ein Fall der-