342 Flesch und Hiller.
Gesundheit, öffentliche Sicherheit usw.) begrenztes Recht umzuschaffen, ist ein Gedanke, dessen
sich unsere Juristen kaum bewußt sind. Die wenigen Bestimmungen des heutigen Arbeitsrechts,
in denen dieser Rechtsgedanke: daß die Auflösung des Arbeitsvertrags jeden-
falls dann nicht der bloßen Willkür der Vertragschließenden preis-
gegeben werden kann, wenn durch die willkürliche, d. h. ohne rechtlich
beachtlichen Grund erfolgende — Auflösung die Allgemeinheit ge-
schädigt wird, sich allenfalls erkennen läßt :, erscheinen daher im besten Fall als Spezial-
vorschriften für einzelne Arten von Unternehmungen, wenn nicht gar als gehässige Aus-
nahmegesetze. Die Ausfüllung der hier bestehenden Lücke in unserem Recht — wohl des
bedeutsamsten Mangels unserer gesamten Rechtsordnung — ist Auf-
gabe der Zukunft.
6. Der Arbeitsertrag (Unternehmergewinn und Lohn).
§s 19. Der Staat hat ein Interesse daran, daß der Gewerbetreibende Arbeit, Aufträge
erhält, und daß er bei Ausführung dieser Aufträge, d. h. bei Durchführung des Arbeitsvertrags
den seine Auftraggeber mit ihm geschlossen haben den Zweck des Gewerbes erreicht, d. h.
einen angemessenen Gewinn erzielt. Die Schutzzölle auf im Ausland hergestellte gewerbliche
Produkte haben im wesentlichen den Zweck, den inländischen Gewerbetreibenden den Abschluß
von Arbeitsverträgen trotz der im Ausland vielleicht günstigeren Vorbedingungen zu ermög-
lichen und ihn vor ausländischer Konkurrenz zu schützen. Auch Bestimmungen über den sog.
Veredelungsverkehr, welche ausländischen Halbfabrikaten den Eingang erleichtern, gehören
hierher; denn sie haben den Zweck, den inländischen Gewerbetreibenden Arbeit (Aufträge zur
Fertigstellung der im Ausland angefertigten Halbfabrikate) zu verschaffen.
Aber auch abgesehen von derartigen Maßnahmen, kann der Staat den Gewerbetreibenden
einen angemessenen Gewinn sichern. Grundsätzlich tut er das schon dadurch, daß er den Ge-
werbetreibenden das Recht gibt, den Preis der Arbeit selbst zu bestimmen. Natürlich können
Gewerbetreibende bestimmter Art untereinander die dem Publikum abzufordernden Preise
vereinbaren und gemeinschaftlich bekanntgeben. Solche Vereinbarungen kommen in ganzen
Branchen vor (Kartelle), aber auch in einzelnen örtlich zusammengefaßten Vereinigungen z. B. den
freien Innungen. Im Gegensatz hierzu bestanden in früherer Zeit obrigkeitliche Festsetzungen
von Minimal= oder Maximalpreisen gewerblicher Arbeiten oder Lieferungen, die sog. polizeilichen
Taxen, die heute, von bestimmten Ausnahmen abgesehen, durch § 72 der GewO. beseitigt
sind; sie können auch neu nicht eingeführt werden. Nur als Norm für streitige Fälle im Mangel
einer Vereinbarung haben die für Bezahlung der approbierten Ärzte nach § 80 Abs. 2 GewO.
von den Zentralbehörden festgesetzten Sätze zu gelten. Im übrigen aber ist der Schutz des
Publikums gegen Ubervorteilung auf folgende Bestimmungen beschränkt:
a) Bäcker und Backwarenverkäufer können durch Ortspolizeiverordnung verpflichtet
werden, Preise und Gewicht von außen sichtbar anzuschlagen; an diese Maximalpreise sind sie
gebunden (§ 73 GewO.); hiermit kann die weitere Verpflichtung verbunden werden, im Ver-
kaufslokale eine Wage mit Gewichten (beide nach den Bestimmungen der deutschen Maß- und
Gewichtsordnung geeicht) aufzustellen und das Nachwiegen zu gestatten; die Taxe ist beweglich
nur nach unten; im übrigen kann sie geändert werden, da sie immer nur für polizeilich zu be-
stimmende Zeiträume gilt.
b) In gleicher Weise können Gastwirte und landesrechtlich auch Schankwirte ein Ver-
zeichnis der Preise einzureichen und in den Gastzimmern anzuschlagen verpflichtet werden;
1 Vgl. z. B. § 65 Abs. 1 und 2 des preuß. Berggesetzes, dessen Erweiterung durch die 1905
dem preuß. Abgeordnetenhaus von der Tegierung vorgelegte Berggesetznovelle leider nicht zu-
stande kam. Diesem Betriebszwang der Bergwerke steht gegenüber das durch §& 182 der preuß.
Gewerbeordnung vom 19. Januar 1845 für die Eisenbahnarbeiter geschaffene Verbot der Arbeits-
niederlegung, das noch heute geltenden Rechts ist, wenigstens nach der herrschenden, in ihrer
Begründung allerdings zweifelhaften Ansicht. Vergl. auch noch § 19 Abs. 2 des Reichsgesetzes
über den Absatz von Kalisalzen 25. Mai 1910.