Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Gewerberecht. 349 
erzeugnissen und für die Beaufsichtigung der nach vorstehenden Bestimmungen zugelassenen 
Betriebsführung. 
Außerdem gibt die GewO. verschiedenen Instanzen Vollmachten, Ausnahmen vom 
Verbot der Sonntagsarbeit zu erlassen: 
à) Kraft bundesrätlicher Vorschrift können solche für die sog. Kampagneindustrieen und 
Saisongewerbe festgesetzt werden, was durch die Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 
5. Februar 1895 (wiederholt abgeändert!) erfolgt ist. 
b) Infolge Zulassung durch die höhere Verwaltungsbehörde kann Sonntagsarbeit für 
Gewerbe, deren vollständige oder teilweise Ausübung an Sonn= und Festtagen zur Befriedigung 
täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung er- 
forderlich ist (die sog. Bedürfnisgewerbe), sowie für Betriebe, welche ausschließlich oder vor- 
wiegend mit durch Wind oder unregelmäßige Wasserkraft bewegten Triebwerken arbeiten, zu- 
gelassen werden. Der Bundesrat hat von der gesetzlichen Ermächtigung Gebrauch machend, 
grundsätzliche Bestimmungen betreffs dieser Ausnahmen durch Bekanntmachung vom 
3. April 1901 festgestellt. 
c) Durch die Gewerbeinspektion kann für bestimmte Zeit Sonntagsarbeit zugelassen 
werden, wenn zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens ein nicht vorhergesehenes 
Bedürfnis der Beschäftigung von Arbeitern an Sonn- und Festtagen eintritt. Diese Verfügung 
ist schriftlich zu erlassen und auszuhängen. 
d) Kraft landeszentralbehördlicher Verfügung kann weitere Sonntagsarbeit für einzelne 
Festtage, die nicht auf einen Sonntag fallen, nur nicht für Weihnachten, Neujahr, Ostern, Himmel- 
fahrt und Pfingsten zugelassen werden. 
Anderseits besteht für die Landesgesetzgebung nach § 105 h der Gew. die allgemeine 
Ermächtigung, die Arbeitsruhe für Sonn= und Festtage vorzuschreiben. 
Weitere Beschränkungen der Sonntagsruhe bestehen für Jugendliche, im besonderen für 
Kinder, nicht aber für Frauen. 
4) Arbeiterschutz gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und Sittlichkeit. 
§25. Die deutsche Arbeiterschutzgesetzgebung knüpft an die Entwicklung in Preußen 
an. Das Allgemeine Landrecht zog bereits dem Gewaltverhältnis des Meisters gewisse 
Schranken zum Schutz der Gesellen und Lehrlinge (ALR. II, 8 § 278—400). Zwar ge- 
staltete das preußische Gesetz vom 7. IX. 1811 mit der Einführung der allgemeinen Gewerbe- 
freiheit auch diese Verhältnisse wesentlich freier, indessen mußte solche absolute Freiheit alsbald 
mit der anhebenden Industrialisierung ihre Einschränkung zum Schutze der Kinder und 
Jugendlichen, aber auch zur Erhaltung des Lebens, der Gesundheit und der Sittlichkeit der 
erwachsenen Arbeiter erfahren (pr. Regulativ vom 9. III. 1839). Die hier gegebenen Vor- 
schriften wurden weiter ausgebaut durch die preuß. GewO. v. 17. I. 1845 und ihre praktische 
Durchführung vor allem gesichert durch die Errichtung von Gewerberäten 1849. Alle bisher 
ergangenen allgemeinen Vorschriften nahm dann die GewO. für den norddeutschen Bund 
v. 21. VI. 1869 auf mit der wichtigen Hinzufügung, daß der Unternehmer die erforderlichen 
Schutzmaßnahmen auf seine Kosten herzustellen und zu unterhalten hat; auch wurden die 
für die Fabrikarbeiter geltenden Schutzvorschriften auf die in Bergwerken, Aufbereitungs- 
anstalten und unterirdisch betriebenen Brüchen und Gruben beschäftigten Arbeiter ausgedehnt. 
Durch die Einführung der GO. in den übrigen Staaten des Reiches erfuhr der Arbeiterschutz 
räumlich Ausdehnung auf Gebiete, in denen er bis dahin wenig oder garnicht entwickelt 
war. Ihren weiteren Ausbau fand die Arbeiterschutzgesetzgebung durch das Gesetz betr. 
die Abänderung der GO. vom 19. Juli 1878, besonders aber, nachdem die Arbeiter- 
versicherungsgesetzgebung ihren ersten vorläufigen Abschluß gefunden hatte, durch die Novelle 
von 1891, die deshalb speziell als „das Arbeiterschutzgesetz“ bezeichnet wird; wesentlich ergänzt 
wurde sie hinsichtlich der Lehrlinge durch die sog. Handwerkernovelle von 1897. Für das 
Handelsgewerbe nahm § 62 des neuen HGB. vom 10. Mai 1897 in Anlehnung an die 
polizeilichen Vorschriften der GewO. die privatrechtliche Verpflichtung des Prinzipals auf,
	        
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