Gewerberecht. 351
Stoffe zu den den Arbeitern übertragenen Arbeiten für den Betrag der durchschnittlichen
Selbstkosten unter Anrechnung bei der Lohnzahlung zu verabfolgen. Zu einem höheren Preise
darf die Verabfolgung von Werkzeugen und Stoffen für Akkordarbeiten erfolgen, wenn der
Preis den ortsüblichen nicht übersteigt und im voraus vereinbart ist. Unter dieses sog. Verbot
des Trucksystems fällt natürlich nicht die Gewährung von Naturalien gemäß der Lohnverein-
barung.
Ein Verbot der Aufrechnung ist durch das Barzahlungsgebot der GewO. nicht
gegeben, wohl aber durch § 394 des BG., soweit die Lohnforderung gemäß § 850 Z. 1 8O.
und § 1 des Lohnbeschlagnahmegesetzes vom 21. Juni 1869 der Beschlagnahme entzogen ist.
Das ist der Fall in Arbeitsverhältnissen, welche die Erwerbstätigkeit des Vergütungs-
berechtigten vollständig oder hauptsächlich in Anspruch nehmen, soweit die Vergütung
1500 Mark aufs Jahr nicht übersteigt und am Zahltag abgefordert ist. Auch im Wege der
Vereinbarung kann dies aus sozialen Gründen statuierte Aufrechnungsverbot nicht beseitigt
werden. Inwieweit gleichwohl nach § 273 BGB. der Arbeitgeber ein Zurückhaltungs-
recht am Lohn hat, bis seine (des Arbeitgebers) Gegenforderung befriedigt ist, ist in Wissen-
schaft und Praxis umstritten.
In Betrieben mit mindestens 20 Arbeitern muß die Arbeitsordnung Bestimmungen über
Zeit und Art der Abrechnung und Lohnzahlung mit der Maßgabe enthalten, daß die regelmäßige
Lohnzahlung nicht Sonntags stattfinden darf. Die Lohn= und Abschlagszahlungen dürfen nicht
in Gast= und Schankwirtschaften oder Verkaufsstellen erfolgen, es sei denn dies von der unteren
Verwaltungsbehörde ausdrücklich genehmigt. Endlich sind nichtig Verträge über die Entnahme
der Bedürfnisse der Arbeiter aus gewissen Verkaufsstellen, sowie überhaupt über die Ver-
wendung des Verdienstes derselben zu einem anderen Zwecke als zur Beteiligung an Ein-
richtungen zur Verbesserung der Lage der Arbeiter oder ihrer Familien (§ 117, Abs. 2 GO.)
Einrichtungen der letzteren Art sind besonders wichtig, weil ja innerhalb des Arbeitsvertrags
die Leistung des Arbeitgebers, der Arbeitslohn lediglich nach dem Interesse bemessen
wird, das der Arbeitgeber an der Leistung des Arbeiters hat. Auf die Bedürfnisse der
Familie nimmt der Arbeitslohn keine Rücksicht; und es ist wohl mit Sicherheit anzu-
nehmen, daß das öffentliche Recht berufen ist, hier in immer wachsendem Maße den
privatrechtlichen Arbeitsvertrag zu ergänzen oder zu korrigieren. Kraft öffentlichen Rechts
müssen Einrichtungen geschaffen und unterhalten werden, die den nicht im Arbeitsvertrag
stehenden, aber auf den Arbeitsvertrag des Familienhauptes angewiesenen Familien-
mitgliedern der Arbeiter zugute kommen. Der Arbeitgeber, der heute bereits freiwillig
Einrichtungen dieser Art schafft, handelt, wenn man will, im Sinne der künftigen
Rechtsentwicklung; aber er wahrt zugleich sein eigenes Interesse, da er die Arbeiter an
sich und seinen Betrieb fesselt. Zu den Wolhlfahrtseinrichtungen zählen vor allem
Pensions-, Witwen= und Waisenkassen, Zuschußkassen zur Wohnungsmiete, zum Heizungs-
material, Hauspflegekassen, Kranken-, Zuschuß-, Weihnachts= und ähnliche Kassen, die vom
Arbeitgeber aus eigenen oder vornehmlich eigenen Mitteln geschaffen sind. Zulässig ist, daß
der Arbeitgeber seine Interessen der Gewinnung und Erhaltung eines guten Arbeiterstammes
verfolgt, doch muß die Fürsorge für die Arbeiter und ihre Familien überwiegen: die Ein-
richtungen müssen, um Wohlfahrtseinrichtungen zu sein, den Arbeitern „ausschließlich
oder überwiegend“ zugute kommen (vgl. auch RVO. F 1350). Damit charakterisieren
sich diese Veranstaltungen als Lohnergänzungen, gleichviel, ob die betreffende Kasse als
selbständiges Vermögen von den Arbeitern mit verwaltet wird oder als nur getrennt ge-
haltener Vermögensteil des Arbeitgebers besteht.
Die Zuwiderhandlung gegen die Lohnzahlungsbestimmungen macht das Zahlungsgeschäft
ungültig. Der Lohn muß nochmals gezahlt werden. Forderungen aus Warenkrediten sind
weder durch Klage noch durch Aufrechnungseinrede zu realisieren. Was dem Gesetz zuwider
gezahlt wurde, fällt, soweit noch vorhanden und eine Bereicherung erfolgte, der Krankenkasse zu.
Lohneinbehaltungen, zur Sicherung gegen Kontraktbruch vereinbart, dürfen bei den
einzelnen Lohnzahlungen ein Viertel des fälligen Lohnes, im Gesamtbetrage den Betrag eines
durchschnittlichen Wochenlohnes nicht übersteigen; würden sie dagegen verstoßen, so wären sie
insoweit unzulässig, auch strafbar. An Dritte dürfen Lohn= und Abschlagszahlung nicht erfolgen