358 Flesch und Hiller.
sind. Nur muf hier der Vorsitzende zum Richteramt oder höherem Verwaltungsdienst befähigt
sein, und die Wahl der Beisitzer muß nach den Grundsätzen der Proportionalwahl stattfinden.
Handlungsgehilfen, deren Jahresarbeitsverdienst 5000 Mark übersteigt, unterfallen nicht der
Zuständigkeit dieser Sondergerichte. Durch Schiedsgerichte kann ihre Zuständigkeit nicht aus-
geschlossen werden. Die sachliche Zuständigkeit erstreckt sich auch auf Streitigkeiten aus Kon-
kurrenzklauseln. Im übrigen sind auch die Kaufmannsgerichte als Einigungsamt und als
Antragsteller und begutachtende Behörde tätig. Auch für Handlungsgehilfen- und #lehrlings-
streitigkeiten hat da, wo kein Kaufmannsgericht besteht, der Gemeindevorsteher auf Antrag
vorläufige Entscheidung zu fällen.
0. Beziehungen der Gewerbetreibenden zueinander und zum
Publikum.
1. Gemeinschaftliche Interessen.
§ 29. Das Bedürfnis der Gewerbetreibenden, miteinander in Verbindung zu treten,
ist in der gestaltenden Arbeit enger als in der verwaltenden und pflegenden, wo jeder einzelne
mehr ein bestimmtes Arbeitspensum vorfindet (der Beamte, der Lehrer), oder wo die
Leistung der Arbeit (des Arztes, des Krankenpflegers) in einer Art erfolgt, daß Beziehungen zu
den Berufsgenossen seltener eintreten. Ebenso hält auch in der Rohproduktion schon die unlös-
bare Verknüpfung mit dem Grund und Boden die Arbeitenden auseinander. Die gewerbliche
Tätigkeit mußte dagegen, so wie sie sich aus der bloßen Produktion für den eigenen Bedarf
entwickelte, zu engen Beziehungen sowohl der Berufsgenossen zueinander als zu den Abnehmern
führen, die ja auch ihrerseits das größte Interesse hatten, sich eine gewisse Auswahl zu sichern.
Dies führte zu regelmäßigen Zusammenkünften der Produzenten und Abnehmer zu bestimmten
Zeiten und an bestimmten, meist öffentlichen Orten, welche natürlich einer gewissen behörd-
lichen Regelung bedurften. Hieraus entwickelten sich die Messen und Märkte als staatlich an-
erkannte und unter besonderen Schutz gestellte Einrichtungen, einen Kauf und Verkauf beweglicher
Gegenstände zeitlich und örtlich zu konzentrieren. Dabei mußte es auf der einen Seite zu
bestimmten Einschränkungen kommen, auf der anderen Seite wiederum zu gewissen Freiheiten;
den Inbegriff der hierüber ergangenen Rechtsnormen stellt das Marktrecht dar. Das Gesetz
unterscheidet allgemein Märkte und Spezialmärkte; letztere sind solche Märkte, die bei besonderen
Gelegenheiten oder für bestimmte Gattungen von Gegenständen gehalten werden, so Weih-
nachtsmärkte, Viehmärkte, Getreidemärkte und andere. Diese alle werden durch die Gewerbe-
ordnung nicht geregelt, vielmehr bewendet es hinsichtlich ihrer bei dem Bestehenden. Die
Gewerbeordnung regelt nur in den §§ 64—69 die allgemeinen Märkte, worunter die Wochen-
und Jahrmärkte und die allgemeinen Messen fallen. Rechtlich unterscheiden sich die Wochen-
und Jahrmärkte durch den Umfang der zugelassenen Gegenstände. Für die Allgemeinheit
besteht Marktfreiheit innerhalb der von der Gemeinde erlassenen Marktordnung, was das
Gesetz dahin ausdrückt, daß der Besuch der Messen, Jahr- und Wochenmärkte, sowie der Kauf
auf denselben einem jeden mit gleichen Befugnissen zusteht; doch ist anerkannt, daß nach dem
Herkommen gewisse Handwerkerwaren, die nicht zu den Wochenmarktsartikeln gehören, nur
von ortsansässigen Verkäufern zum Markt gebracht werden dürfen. Der Zwischenhandel, d. h.
der Ankauf und alsbaldige Wiederverkauf der zu diesem Zwecke angekauften Waren, kann durch
die Marktordnung nicht verboten werden. Dagegen kann die Polizeibehörde nicht nur hinsichtlich
der äußeren Ordnung des Marktes (Aufreihen der Verkaufsstände), sondern auch darüber, wie
der Verkauf zu bewirken ist, nähere Anordnungen treffen. Die Gegenstände des Wochenmarkt-
verkehres sind:
1. rohe Naturerzeugnisse mit Ausschluß des größeren Viehes;
2. Fabrikate, deren Erzeugung mit der Land- und Forstwirtschaft, dem Garten- und
Obstbau oder der Fischerei in unmittelbarer Verbindung steht, oder zu Nebenbeschäftigungen
der Landleute der Gegend gehört oder durch Tagelöhnerarbeit bewirkt wird, mit Ausschluß
der geistigen Getränke;