Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

362 Flesch und Hiller. 
welche das Gewerbe fabrikmäßig betreiben und fünftens, falls der Beitrittszwang sich auf Ge- 
werbetreibende, die Hilfekräfte beschäftigen, beschränkt, die Gewerbetreibenden gleicher Art 
ohne Hilfskräfte. Der Aufnahmefähigkeit entspricht die jederzeitige Möglichkeit des Austritts. 
Wer aufnahmefähig ist, muß ausgenommen werden. Der Austritt aus der Innung ist natürlich 
nur den beitrittsberechtigten Mitgliedern gestattet. 
Die Organisation der Zwangsinnung ist die gleiche wie bei den freien Innungen. In 
ihrem Tätigkeitsbereich sind aber erstere dadurch eingeschränkt, daß sie gemeinsame Geschäfts- 
betriebe nicht errichten dürfen; dagegen ist die Zwangsinnung befugt, Veranstaltungen zur 
Förderung der gemeinsamen gewerblichen und wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder, 
wie die Errichtung von Vorschußkassen, gemeinsamen Ein= und Verkaufsvorschriften u. dgl. 
anzuregen und durch Aufwendungen aus dem angesammelten Vermögen zu unterstützen. Bei- 
träge dürfen zu diesem Zwecke nicht erhoben werden. Ferner ist jeglicher Zwang, Unterstützungs- 
kassen beizutreten, mit Ausnahme der Innungskrankenkassen untersagt. Für die Beitragspflicht 
der Mitglieder ist der Grundsatz aufgestellt, daß die Heranziehung der einzelnen Betriebe unter 
Berücksichtigung ihrer Leistungsfähigkeit zu erfolgen hat. 
Die Zwangsinnung darf ferner entgegen der freien Innung ihre Mitglieder nicht be- 
schränken in der Festsetzung der Preise ihrer Waren oder Leistungen oder in der Annahme von 
Kunden. Diese, dem Organisationsprinzip widersprechende Regelung wird von Handwerker- 
seite besonders um deswillen bekämpft, weil die Zwangsinnung gehindert ist, damit der Preis- 
schleuderei entgegen zu treten, und von Verdingungen sich dadurch ausschließt, daß ein Sub- 
mittieren der Innung als solcher nur Zweck haben könnte, wenn sie ihren Gliedern das Mit- 
bieten zu untersagen in der Lage wäre. 
Von den Mitgliedern des Vorstandes und der Ausschüsse müssen mindestens zwei Drittel 
das Recht zur Anleitung von Lehrlingen besitzen und der Regel nach Gesellen oder Lehrlinge 
beschäftigen. Die Mitglieder derjenigen Ausschüsse, welchen die Fürsorge für die Durchführung 
der auf die Regelungen des Lehrlingswesens bezüglichen Bestimmungen obliegt, müssen sämtlich 
diesen Anforderungen entsprechen. Zur Teilnahme an den Geschäften der Innung, welche 
die Regelung des Lehrlingswesens und die Durchführung der hierüber erlassenen Bestimmungen 
zum Gegenstand haben, können nur Gesellen herangezogen werden, welche die Meisterprüfung 
bestanden haben. Die Zwangsinnung kann nur durch Schließung enden, sei es von Amts wegen 
oder auf Antrag. 
Zur Vertretung der Interessen des Handwerks sind im ganzen Reich Handwerkskammern 
durch die Landeszentralbehörden zu errichten; auch können mehrere Bundesstaaten sich zur 
Errichtung gemeinsamer Handwerkskammern vereinigen (§ 103 GewO.) Zur Zeit bestehen 
65 solcher Handwerkskammern, darunter in Preußen 37. Ihre Organisation wird durch ein Statut 
bestimmt. Die Kammermitglieder gehen aus Wahlen der Handwerkerinnungen und Gewerbe- 
oder ähnlichen Vereinen hervor. Die Geschäftsführung liegt in der Hand des von der Kammer 
aus ihrer Mitte gewählten Vorstandes, dem ein Sekretär beigegeben ist. Die Handwerks- 
kammer kann Ausschüsse bilden und muß einen Gesellenausschuß haben, der durch Wahl aus 
den Innungsgesellenausschüssen hervorzugehen hat. Die Kosten werden, soweit sie nicht ander- 
weit Deckung von den Gemeinden des Kammerbezirks getragen, welche ermächtigt sind, sie 
auf die einzelnen Handwerksbetriebe umzulegen, wobei wieder solche ohne Hilfskräfte befreit 
werden können. 
Die Handwerkskammern haben von Gesetzes wegen das Lehrlingswesen näher zu regeln 
und die Durchführung der dafür geltenden Vorschriften zu überwachen, ferner die Staats= und 
Gemeindebehörden in der Förderung des Handwerks durch tatsächliche Mitteilungen zu unter- 
stützen, auch Handwerkerwünsche und Anträge zu beraten und den Behörden vorzulegen, sowie 
Jahresberichte zu erstatten. Ferner liegt ihnen die Bildung von Prüfungsausschüssen für die 
Gesellenprüfung und von solchen Ausschüssen ob, welche über Beanstandungen von Beschlüssen 
der Prüfungsausschüsse zu befinden haben. 
Die Handwerkskammer hat kein Ordnungsstrafrecht, sie kann die Ordnungsstrafe nur 
androhen, die Festsetzung erfolgt aber durch die untere Verwaltungsbehörde. Die Aufsicht 
über die Handwerkskammer steht der höheren Verwaltungsbehörde zu, welche bei ihr einen 
Kommissar bestellt.
	        
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