Recht des deutschen Verkehrswesens (Verkehrsrecht). 369
Aufgabe haben sie zum größten Teil wieder mehr und mehr abgegeben. Die Güterbeförderung
und die große Masse der Personenbeförderung vollzieht sich jetzt auf der Eisenbahn, wenn auch
nicht zu verkennen ist, daß durch die Erfindung der Kraftfahrzeuge ein Teil des Personen-
verkehrs, des Vergnügungsverkehrs, sich wieder mehr den durchgehenden, großen Straßen
zugewandt hat. Die Hauptbedeutung der Landstraßen muß man indes heute darin erblicken,
daß sie wieder mehr örtlich beschränkten Kreisen dienen, am großen Verkehr aber nur als Zu.
bringer zu den modernen Straßen des Massenverkehrs, zu den Eisenbahnen, Flüssen und
Kanälen beteiligt sind.
§ 4. Wegegesetzgebung.
Diesem Wandel in ihrer Bedeutung mag man es zuschreiben, wenn im Laufe der
Zeiten die Straßen und Wege rechtlich ganz verschieden behandelt sind, und wenn man heute
gerade auf diesem Rechtsgebiet weder von einer Einheitlichkeit, noch gar von einer Einheit
sprechen kann, trotzdem nach Art. 4 Nr. 8 der Verfassung des Deutschen Reiches die Herstellung
der Landstraßen im Interesse des allgemeinen Verkehrs der Beaussichtigung des Reichs und
seiner Gesetzgebung unterliegt. Nicht einmal in Preußen und den anderen größeren Bundes-
staaten kann man von einer zusammenfassenden Wegegesetzgebung sprechen. Das Wegerecht
baut sich auf den verschiedensten lokalen und provinziellen Gewohnheiten, Verordnungen und
Gesetzen auf, die in ihrer Mannigfaltigkeit wohl kaum bis ins einzelne festzustellen sind, einer
der Gründe, weshalb man selbst in Preußen den Versuch aufgegeben hat, ein Wegegesetz für
die ganze Monarchie zu schaffen. Während aber in den ersten Zeiten das Wegerecht von privat-
rechtlichen Erwägungen beeinflußt wurde, kann man später, mit dem Wachsen der Bedeutung
der Wege als Verkehrsstraßen, eine Verstaatlichungsperiode wahrnehmen, die nun wieder als
überwunden angesehen werden muß, insofern jetzt die Provinzen und kleineren Kommunal-
verbände sich mit der Wegepflege zu befassen haben, und die Staatsstraßen in Preußen auf-
gehört haben zu bestehen.
In diesem Zusammenhange aber muß hervorgehoben werden, daß es immerhin Gesetze
gibt, die für das ganze Gebiet des Deutschen Reiches gelten, sowie solche für ganz Preußen,
für mehrere Provinzen und für einzelne Provinzen. Die folgende Darstellung will die haupt-
sächlichsten dieser Bestimmungen nach gemeinsamen Gesichtspunkten geordnet vortragen und
wird sich dabei im allgemeinen von dem Gedanken leiten lassen, daß sich alle diese Vorschriften
nach der Herstellung, der Unterhaltung und der Benutzung der Wege und Straßen gruppieren.
Da aber im folgenden keineswegs eine Abhandlung über das Wegerecht überhaupt gegeben
werden soll, sondern nur eine Auswahl aus demjenigen Teil, der dem öffentlichen Verkehr
dient, so bedarf es vorher einer gewissen Eingrenzung des Stoffes. Diese ergibt sich, wenn
man sich vergegenwärtigt:
8§ 5. Die verschiedenen Arten der Wege und Straßen.
Man unterscheidet Wege und Straßen nach verschiedenen Gesichtspunkten, und zwar
nach der Art ihrer technischen Herstellung, ihrer Unterhaltung und ihrer bestimmungsgemäßen
Benutzung (Verkehrszwech.
So zerfallen die Straßen in Kunststraßen (Chausseen), ausgebaute und nicht ausgebaute
Landstraßen, chaussierte Wege, Eiswege usw.; je nach der Stelle, welche die Unterhaltung zu
besorgen hat, spricht man von Staats-, Provinzial-, Kreis-, Gemeinde- und Nachbarwegen;
auch die auf Grund von Hebeberechtigungen von den Berechtigten zu unterhaltenden Wege
gehören hierher. Endlich unter dem Gesichtspunkte der bestimmungsgemäßen Benutzung des
Verkehrszwecks teilt man sie wohl ein in Fahr-, Reit-, Fuß- und Radfahrwege und, eine Ein-
teilung, die die wichtigste ist, in solche, die dem öffentlichen, und solche, die dem privaten Ver-
kehre dienen, d. h. in öffentliche und Privatwege. Während die Privatwege nur für die Ver-
kehrszwecke einzelner Personen oder doch nur einer begrenzten Anzahl von Personen bestimmt
sind, wie z. B. die sogenannten Adjazenten-, Interessenten--, Wirtschafts-, Holz-, Feld-, Koppel-
wege, und auch regelmäßig in privatem Eigentum stehen, sind die öffentlichen Wege dem-
Encyklopädie der Rechtswissenschaft. 7. der Neubearb. 2. Aufl. Band IV. 24