Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

34 G. Anschütz. 
Die Errichtung des Rheinbundes setzte die gründliche Demütigung Osterreichs und 
Preußens (Koalitionskriege 1792—1806, Friedensschlüsse von Basel, 1795, Campo Formio, 
1797, Lunéville, 1801, Preßburg, 1805), die Befestigung der französischen Vorherrschaft in 
Süd= und Westdeutschland (Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich im Frieden von 
Lunêville, Bundesgenossenschaft der süddeutschen Staaten mit Napoleon im dritten Koalitions- 
kriege) und die Auflösung des alten Reichs voraus. Sie vollzog sich, indem am 12. Juli 1806 
zu Paris 16 deutsche Fürsten, unter ihnen die Könige von Bayern und Württemberg, die Gros- 
herzöge von Baden und Hessen-Darmstadt, die Herzöge und Fürsten der nassauischen und 
hohenzollernschen Häuser mit Frankreich einen Vertrag — Acte de la Consédération du Rbin, 
„Rheinbundsakte“ — unterzeichneten, kraft dessen sie sich von dem Deutschen Reiche 
auf immer lossagten und unter sich „une Confédération particulieère“ abschlossen, welche unter 
dem Protektorat des Kaisers der Franzosen stehen und „Rheinbund“ sim französischen Text 
der Rh.B.A. „Etats confeédérés du Rhin“! heißen sollte. In Erfüllung der durch die Rh.B.A. 
übernommenen Verpflichtung erklärten am 1. August 1806 die Rheinbündler am Reichstage 
zu Regensburg ihren Austritt aus dem Reich, begleitet von der Eröffnung des Kaisers der 
Franzosen, daß er das alte Reich nicht mehr, sondermm nur noch die Souveränetät der deutschen 
Staaten anerkenne. Den unabwendbaren Tatsachen sich fügend, legte Kaiser Franz II. am 
6. August 1806 die Krone des heiligen römischen Reiches deutscher Nation nieder, indem er sich 
und jeden Dritten aller Reichspflichten los und ledig sprach. So erreichte das alte Staatswesen 
der Deutschen sein Ende durch den Verrat seiner Fürsten, den Fußtritt des fremden Eroberers 
und die Flucht seines letzten Oberhauptes vom Throne. 
Angeblicher Zweck des Rheinbundes war „die Erhaltung des äußeren und inneren Friedens 
von Süddeutschland", in Wahrheit handelte es sich darum, aus der „troisiöme Allemagnel- 
eine französische Staatenklientel zu machen, die in der Folge auf alle deutschen Mittel- und 
Kleinstaaten ausgedehnt und dazu bestimmt sein sollte, einmal den Einfluß der beiden deutschen 
Großstaaten, Osterreichs und Preußens, auf die deutschen Dinge unter steter Beibilfe Frank- 
reichs niederzuhalten, sodam aber, die Streitkräfte der Rheinbündler dem Protektor des Bundes 
für jeden seiner europäischen Kriege zur Verfügung zu stellen. Als Entgelt für diese an Frank- 
reich zu leistenden Landsknechtsdienste empfingen die Rheinbundfürsten eine extensive wie 
intensive Machterweiterung: die Rh.B. A. vemnichtet, das Mediatisierungs= und Sakulari- 
sationswerk des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 vollendend, die Solbständig- 
keit aller in Südwestdeutschland noch vorhandenen kleinfürstlichen, gräflichen, reichs- 
städtischen, ritterschaftlichen, geistlichen Territorien und vergrößert mit ihnen die Rheinbund- 
staaten; — weiterhyin wird jedem der Rheinbundfürsten die volle Souveränetät, was 
heißen wollte: die unbeschränkte, absolut-monarchische Herrschergewalt über seine Lande alten 
und neuen Erwerbes zugesprochen. „Unbedingte Unterwerfung in Sachen der europäischen 
Politik und ebenso unbeschränkte Souveränetät im Innern — das waren die beiden aus gründ- 
licher Kenntnis des deutschen Fürstenstandes geschöpften leitenden Gedanken der Rheinbunds- 
verfassung“ (Treitschke). — Die dauernde geschichtliche Bedeutung der Rh. BB.A. für das 
deutsche Staatsrecht liegt auf der einen Seite darin, daß sie das letzte Gestrüpp überlebter, 
mittelalterlicher Staatsbildungen ausrottete und in den damals nicht sowohl vergrößerten als 
in manchem Betracht geradezu neugeschaffenen süddeutschen Mittelstaaten — Bayem, Württem- 
berg, Baden, Hessen — mit einem Schlage die absolute Monarchie herstellte (s. unten § 7), — 
auf der anderen Seite in den Bestimmungen über die Standesvorrechte der mediatisierten 
Fürsten und Grafen (Art. 17 ff. der Rh.B.A.), welche noch heute die Grundlage bilden, auf 
welcher das geburtsständische Sonderrecht dieses hohen oder standesherrlichen Adels sich auf- 
baut (s. unten § 18). Die bündischen Institutionen, welche die Rh.B.A. (Art. 29 ff.) vorsieht, 
— eine Bundesversammlung, bestehend aus den Kollegien der Könige und der Fürsten, sind 
nie ins Leben getreten. 
In den Jahren 1806—1810 hat sich der Rheinbund auf die Gebiete aller nord= und mittel- 
deutschen Klein= und Mittelstaaten ausgedehnt; 1810 gehörte zu ihm ganz Deutschland mit 
Ausnahme Osterreichs, Preußens, der Hansestädte, sowie der schwedischen und dänischen Landes- 
teile. Es war diese Ausdehnung nichts weiter als der Exponent des Vordringens der Fremd- 
herrschaft; es bedarf keiner Erklärung, daß in dem Maße, als diese Fremdherrschaft ins Wanken
	        
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