Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

378 Ernst Blume. 
Beaufsichtigung, insbesondere der Konzessionierung zum Bau und Betrieb von Eisenbahnen 
durch Private. Diesen Zustand hat die Verfassung des Deutschen Reichs bestehen lassen; sie 
hat aber gewisse Grundregeln festgelegt, von denen sich die Einzelstaaten bei der Verwaltung 
ihrer Eisenbahnen leiten lassen sollen. 
Die Reichsverfassung unterstellt in Art. 4 Ziff. 8 der Beaufsichtigung seitens des Reichs 
und seiner Gesetzgebung das Eisenbahnwesen — in Bayern vorbehaltlich gewisser Bestimmungen 
des Art. 46 — im Interesse der Landesverteidigung und des allge— 
meinen Verkehrs. Tatsächlich ist das Reich bisher noch nicht dazu gekommen, ein 
Reichseisenbahngesetz zu schaffen, und so ist denn die Eisenbahngesetzgebung noch jetzt bis zu 
einem gewissen Grade in den Händen der Einzelstaaten. 
Indes ist durch die Reichsverfassung doch ein gewisses System in diese ziemlich ver- 
wickelten und voneinander abweichenden Vorschriften gebracht, und das ist durch den Ab- 
schnitt VII der Reichsverfassung erreicht, der den einzelnen Bundesregierungen oder den von 
ihnen beaussichtigten Eisenbahnen gewisse Verpflichtungen im Interesse einer allgemeinen 
Einheitlichkeit auferlegt. 
Das Reich ist befugt, für seine Rechnung im Interesse der Verteidigung Deutschlands 
oder des gemeinsamen Verkehrs notwendige Eisenbahnen kraft Reichsgesetzes anzulegen oder 
ihre Ausführung an Privatunternehmer zu konzessionieren und sie mit dem Enteignungsrecht 
auszustatten, und zwar auch gegen den Widerspruch der Bundesglieder, deren Gebiet die 
Eisenbahnen durchschneiden, aber unbeschadet der Landeshoheitsrechte. Jede bestehende Eisen- 
bahn muß sich den Anschluß neuangelegter Eisenbahnen auf deren Kosten gefallen lassen. Auch 
sind für das ganze Reich die gesetzlichen Bestimmungen über das Widerspruchsrecht bestehender 
Bahnen gegen die Anlegung von Parallel= oder Konkurrenzbahnen aufgehoben (Art. 41). 
Dieses Recht hat das Reich innerhalb seines ganzen Bezirks einschließlich Bayerne. Es 
steht ihm ebenfalls auch Bayern gegenüber das Recht zu, im Wege der Gesetzgebung einheit- 
liche Normen für die Konstruktion und Ausrüstung der für die Landesverteidigung wichtigen Eisen- 
bahnen aufzustellen (Art. 46 Abs. III). Und endlich bestimmt Art. 47, daß sämtliche — also auch 
die bayrischen — Eisenbahnverwaltungen unweigerlich den Anforderungen des Reichs zu folgen 
haben, die es zum Zwecke der Verteidigung Deutschlands an die Benutzung der Bahnen stellt. 
Namentlich sind Militär und Kriegsmaterial zu gleichen ermäßigten Sätzen zu befördern. 
Auf Bayern findet dagegen keine Anwendung die in der Verfassung von den Landes- 
regierungen übernommene Verpflichtung, die deutschen Eisenbahnen im Interesse des all- 
gemeinen Verkehrs wie ein einheitliches Netz zu verwalten und dazu die neuherzustellenden 
Bahnen nach einheitlichen Normen anzulegen und auszurüsten (Art. 42). Auch untersteht 
Bayern nicht den zu diesem Zwecke in der Verfassung in Aussicht genommenen Maßregeln, 
als der Schaffung übereinstimmender Betriebseinrichtungen, gleicher Bahnpolizeireglements, 
der Reichsaufsicht über den Bauzustand der Bahnen und darüber, ob sie mit Betriebsmaterial 
so ausgerüstet sind, wie das Verkehrsbedürfnis es erheischt (Art. 43), der Aufstellung ineinander- 
greifender Fahrpläne (Art. 44), der Tarifkontrolle des Reichs und der Einführung überein- 
stimmender Betriebsreglements (hier ist das Wort Betrieb noch in dem älteren, jetzt noch in 
Osterreich-Ungarn üblichen Sinne gebraucht; jetzt spricht man von Verkehrsordnung) und endlich 
der Verpflichtung, bei Notständen vom Kaiser auf Vorschlag des Bundesratsausschusses fest- 
gestellte niedrige Spezialtarife namentlich für Lebensmittel anzuerkennen (Art. 46 Abs. I). 
§ 15. Die Reichsaufsicht. 
Das Reich übt die ihm durch die vorstehenden Bestimmungen der Verfassung gegebenen 
Rechte in der Weise aus, daß die erforderlichen allgemeinen Verwaltungsvorschriften und 
Einrichtungen, soweit nicht durch Reichsgesetz etwas anderes bestimmt ist, vom Bundesrat 
beschlossen werden (Art. 7 Ziff. 2 RVerf.). Die Überwachung ihrer Durchführung — an 
sich nach Art. 17 der RVerf. Sache des Kaisers oder des Reichskanzlers — wird durch das 
Reichseisenbahnamt in Berlin ausgeübt, dem Rang und Zuständigkeit einer obersten Reichs- 
behörde beigelegt ist (Verordnung vom 23. Nov. 1874 [RGl. 135)), und dessen Aufgabe es 
ist, innerhalb der durch die Verfassung bestimmten Zuständigkeit des Reichs das Aufsichts-
	        
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