Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Recht des deutschen Verkehrswesens (Verkehrsrecht). 383 
bahn durch den Staat, da es sich ja dabei um Ausübung eines Staatshoheitsrechts handelt, 
keines besonderen Gesetzes. Indes gehören zum Bau Geldmittel, und die kann die Staats- 
verwaltung nach Art. 62 der Verfassungsurkunde nur durch Bewilligung seitens des Landtages 
bekommen. Die Grundlagen zu diesem Gesetze sollen die allgemeinen Vorarbeiten beschaffen. 
Hierbei muß aber berücksichtigt werden, daß dieses Verfahren in der Praxis häufig recht un- 
liebsame Folgen haben kann. Die allgemeinen Vorarbeiten sind nämlich meist nur sehr all- 
gemein angelegt. Die Prüfung kann nur eine mehr oder weniger schätzungsweise sein, und 
namentlich der Kostenanschlag kann sich nur auf Unterlagen gründen, die nicht bis ins einzelne 
durchgerechnet sein können. Uberraschungen sind bei dieser Art der mutmaßlichen Kosten- 
berechnung nicht zu vermeiden. Dazu kommt, daß regelmäßig zwischen der Aufstellung des 
Kostenanschlages für die allgemeinen Vorarbeiten und der schließlichen Bauausführung viele 
Jahre zu liegen pflegen. Inzwischen haben sich meist die Preise namentlich für Grund und 
Boden erheblich erhöht. Das gleiche gilt für Arbeitslöhne und Materialien. Alle diese Momente 
müssen bei der weiteren geschäftlichen Behandlung berücksichtigt werden. Das Ergebnis der 
allgemeinen Vorarbeiten, zusammengefaßt in übersichtskarte, Lagen= und Höhenplänen, Er- 
läuterungsbericht, Kostenanschlag, Denkschrift und Ertragsberechnung wird dem Minister der 
öffentlichen Arbeiten vorgelegt, der die Entwurfstücke unter Zuziehung der beteil'gten anderen 
Ressorts prüft, mit dem Zweck, daß die Linie schließlich in den Gesetzentwurf betreffend die 
Erweiterung des Staatseisenbahnnetzes ausgenommen wird, um nach Beratung im Staats- 
ministerium dem Landtage vorgelegt zu werden. — Im Anschluß an das Kreditgesetz teilt eine 
Allerh. Verordnung die neue Eisenbahnlinie einer Eisenbahndirektion zum Bau und Betriebe 
zu und verleiht das Enteignungsrecht. — Dann erteilt der Minister der öffentlichen Arbeiten 
den Auftrag zur Anfertigung der „beesonderen“ oder „aus führlichen“ Vorarbeiten. 
Diese müssen die Einzelheiten des geplanten Unternehmens genau beschreiben und in detaillierten 
Plänen niederlegen. Auf Grund dieser Pläne findet an Ort und Stelle die landespolizeiliche 
Prüfung durch den Regierungspräsidenten unter Zuziehung der Eisenbahndirektion statt (§ 14 
des Gesetzes vom 3. Nov. 1838). Sie dient zur Unterlage der demnächstigen Entschließung des 
Ministers, dem danach die Pläne und Entwürfe zur Prüfung vorgelegt werden. Diese erhalten 
den Vermerk: „Geprüft und vorläufig festgestellt“", und der Minister gibt nunmehr den Auftrag 
zur Bauausführung. 
4. Diese beginnt mit dem Grunderwerb. Nun hängt die weitere Entwicklung davon 
ab, ob diese sich ohne Schwierigkeiten vollzieht oder ob vom Enteignungsrecht Gebrauch ge- 
macht werden muß. Im letzteren Falle muß auf Grund des vorläufig festgestellten Planes 
versucht werden, eine Einigung über den Gegenstand der Abtretung herbeizuführen. Dadurch 
wird der vorläufig festgestellte Plan ein endgültiger, andernfalls ist Planfeststellungsbeschluß 
durch den Bezirksausschuß nötig. Daran schließt sich das Entschädigungsfeststellungsverfahren 
und erst danach die Vollziehung der Enteignung. 
5. Nach Fertigstellung der neuen Bahn erfolgt zunächst die eisenbahntechnische Abnahme 
durch die Eisen bahndirektion, danach die landespolizeiliche Abnahme durch den Regierungs- 
präsidenten unter Zuziehung der Eisenbahndirektion (§ 22 des preußischen Eisenbahngesetzes 
vom 3. Nov. 1838). Mit der Betriebseröffnung erst wird das Unternehmen eine Eisenbahn 
im Sinne des Eisenbahnrechts. 
6. Ahnlich entwickelt sich das Verfahren beim Bau durch Privatunternehmer. Nur ist 
es dann dessen Sache, die Vorarbeiten zu besorgen. Die Abnahme erfolgt durch den Kgl. 
Eisenbahnkommissar und die Regierung. 
7. In viel einfacheren Formen vollzieht sich die Begründung einer Kleinbahn in Preußen. 
Maßgebend ist namentlich das Gesetz vom 28. Juli 1892 (GS. S. 225) über Kleinbahnen und 
Privatanschlußbahnen. Notwendig ist eine staatliche Genehmigung (§ 2). Wenn es sich um eine 
mit Maschinenkraft betriebene Kleinbahn handelt, muß vorher die Entscheidung des Ministers 
der öffentlichen Arbeiten eingeholt werden, ob die Bahn überhaupt als Kleinbahn zugelassen 
werden soll, oder ob sie dem Gesetz von 1838 zu unterstellen ist. Wird die Bahn als Kleinbahn 
zugelassen, so wird gleichzeitig eine Eisenbahndirektion bestimmt, die bei der Genehmigung 
mitzuwirken hat. Dem eigentlichen Bau geht ebenfalls eine Planfeststellung voraus, die vom
	        
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