Recht des deutschen Verkehrswesens (Verkehrsrecht). 385
beim ordentlichen Gericht Klage erheben (§5 30). Nachteilige Folgen, die erst nach der Verhand-
lung über die Entschädigungsfrage erkennbar werden, können im Rechtswege bis zum Ablaufe
von drei Jahren nach der Ausführung des in Frage kommenden Teiles der Anlage gegen den
Unternehmer geltend gemacht werden (§ 31).
d) Erst nach Feststellung der Entschädigung — also nach Entscheidung der etwaigen Prozesse
und nach Zahlung oder Hinterlegung (§ 37) der Entschädigungssumme — kann es regelmäßig zur
Vollziehung der Enteignung (# 32—38) kommen. Sie erfolgt durch Beschluß des Bezirksaus-
schusses (s 32) und schließt im allgemeinen die Einweisung in den Besitz in sich. In dringlichen
Fällen jedoch — diese werden bei Eisenbahnbauten meist vorliegen — sieht das Gesetz die Mög-
lichkeit der Vollziehung der Enteignung vor der gerichtlichen Feststellung und Zahlung der Ent-
schädigungssumme vor (§ 34), also nach dem Entschädigungsfeststellungsbeschluß des Bezirks-
ausschusses, und zwar wenn die von ihm festgesetzte Summe gezahlt oder hinterlegt ist. In
diesem Falle kann aber jeder Beteiligte binnen sieben Tagen von Kenntnis des die Dringlichkeit
aussprechenden Beschlusses an verlangen, daß vor der Enteignung eine Feststellung des Zustandes
der Gebäude und künstlichen Anlagen durch das Amtsgericht der belegenen Sache stattfinde (§ 35),
das den Termin schleunigst unter Benachrichtigung des Bezirksausschusses anzuberaumen hat.
Die Enteignung kann erst nach Beendigung dieses Verfahrens erfolgen.
e) Die Kosten des Enteignungsverfahrens, bei dem nur Auslagen, nicht aber Stempel und
Sporteln zur Anwendung kommen, trägt der Unternehmer. Ersatz für Wege und Versäumnisse
können die Entschädigungsberechtigten nicht verlangen (§ 43).
fsMit Zustellung des Enteignungsbeschlusses an den Eigentümer und den Unternehmer —
Titel IV. Wirkungen der Enteignung — geht das Eigentum auf den Unternehmer über (§ 44).
Er erwirbt es frei von allen Lasten, soweit er solche nicht vertraglich übernommen hat. Die Ent-
schädigung tritt an die Stelle des enteigneten Gegenstandes (§F 45). Das Gesetz trifft dann noch
in Titel V besondere Bestimmungen über Entnahme von Wegebaumaterialien und enthält in
Titel VI Schluß= und Übergangsbestimmungen. Daraus ist noch § 57 zu erwähnen, der ein gesetz-
liches Vorkaufsrecht des zeitigen Eigentümers des ursprünglichen verkleinerten Grundstücks wegen
aller Teile von Grundstücken begründet, die zwangsweise oder freiwillig an den Unternehmer ab-
getreten sind, wenn später das abgetretene Grundstück ganz oder teilweise zu dem bestimmten
Zwecke nicht gebraucht wird und veräußert werden soll. Für den Fall, daß ein Grundstück ganz
abgetreten ist, ist ein Vorkaufsrecht nicht begründet.
9. Von Bedeutung für die baulichen Anlagen von Eisenbahnen kann es werden, wenn
in Städten oder ländlichen Ortschaften eine Anderung von Straßen oder Plätzen vom Ge-
meindevorstande nach den Vorschriften des Gesetzes vom 2. Juli 1875 (GS. S. 561), des
sogenannten Straßen- und Baufluchtliniengesetzes geplant wird. Zu diesem Zwecke muß ein
Bebauungsplan zu jedermanns Einsicht öffentlich ausgelegt werden (§ 7). Dieser Plan aber
muß, wenn in seinem Gebiete außer Festungen, öffentlichen Flüssen, Chausseen insbesondere
Eisenbahnen oder Bahnhöfe liegen, vor seiner Auslegung den beteiligten Behörden rechtzeitig
zur Wahrung ihrer Interessen bekannt gegeben werden (§ 6) (Vgl. S. 7) (Erlaß des
Ministers der öffentlichen Arbeiten vom 23. Dez. 1896 (EVB. 1897 S. 51 bei Fritsch S. 238)
Eisenbahnrechtliche Vorschriften finden sich auch im allgemeinen Berggesetz für die preußischen
Staaten vom 24. Juni 1865 (GS. S. 7051.
§ 19. Das Recht des Eisenbahnbetriebes.
I. Der Schutz des Eisenbahnbetriebes gegen Störungen von innen und außen.
Die fertiggestellte Eisenbahnanlage kann dem Verkehrswesen erst dienlich werden,
wenn auf ihr Züge verkehren. Dazu ist es nötig, daß die Bahnanlage sicher unter-
halten und die auf ihr fahrenden Fahrzeuge regelmäßig durchgeführt werden. 1. Darüber
bestehen im ganzen Reich einheitliche Bestimmungen; denn Voraussetzung eines durch-
gehenden Eisenbahnverkehrs ist in allererster Linie die allgemeine Ubereinstimmung der
Betriebsmittel. Dieses Ziel verfolgt einmal die Bekanntmachung des Reichskanzlers be-
treffend die Bestimmungen über die technische Einheit im Eisenbahnwesen vom 25. Mai 1908
(RGB. 362). Sie beruht auf einer Vereinbarung zwischen Belgien, Bulgarien, Dänemark,
Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen,
Osterreich-Ungarn, Rumänien, Schweden, der Schweiz und Serbien, — auch Rußland gehört
bisher noch mit einigen Strecken (Warschau-Wiener Bahn) dazu — die sich auf Spurweite,
Bauart und Unterhaltungszustand der Eisenbahnfahrzeuge sowie die Beladung der Güter-
wagen bezieht und den Zweck hat, den Ubergang von Fahrzeugen von einer Bahn zur anderen
Enzyklopädie der Rechtswissenschaft. 7, der Neubearb. 2. Aufl. Band IV. 25