Recht des deutschen Verkehrswesens (Verkehrsrecht). 387
er nicht in Freiheit gesetzt wird, dem Amtsrichter oder der Polizeibehörde des Bezirks unverzüg-
lich vorzuführen. Bahnpolizeibeamte und sonstige Polizeibeamte müssen sich gegenseitig bei Aus-
übung ihres Dienstes innerhalb des Bahngebietes Beistand leisten, soweit es die bahndienstlichen
Pflichten zulassen. Von allgemeinerer Bedeutung sind die bereits erwähnten „Bestimmungen
kür das Publikum“, welche den Schlußabschnitt VI der BO. (535.77—83) bilden. Sie unterstellen
ie Reisenden und das sonstige Publikum einmal den allgemeinen Anordnungen der Bahnver-
waltung zur Aufrechterhaltung der Ordnung innerhalb des Bahngebietes und im Bahnver-
kehre, dann aber auch den dienstlichen Anordnungen der als solche kenntlichen Bahnpolizei-
beamten. Sie zählen die einzelnen Pflichten des Publikums und der Reisenden auf und bedrohen
deren Nichtbefolgung mit Geldstrafe bis 100 Mk., soweit nicht nach den allgemeinen Straf-
bestimmungen eine höhere Strafe verwirkt ist.
3. Eine Ergänzung der BO. bedeutet die vom Bundesrat verordnete Eisenbahnsignal-
ordnung (SO.) vom 24. Juni 1907 (RBl. S. 377) in der neuesten Fassung vom 12. März
1910 (Rl. S. 515), die schon verschiedene frühere Vorgänger gehabt hat.
4. Eine besondere Art des Schutzes des Eisenbahnbetriebes bedeutet auch das Gesetz über
die Bahneinheiten vom 19. Aug. 1895 in der Fassung des Gesetzes vom 11. Juni 1902, ver-
öffentlicht durch Bekanntmachung vom 8. Juli 1902 (GS. S. 237). Dieses Gesetz bestimmt für
Privatbahnen des Gesetzes von 1838 und für öffentliche Kleinbahnen, daß sie mit den dem
Bahnunternehmen gewidmeten Vermögenswerten eine Einheit (Bahneinheit) bilden (5§ 1),
für die besondere Bahngrundbücher (§85 8 ff.) eingerichtet sind. Für die Bahneinheit gelten
im allgemeinen die auf Grundstücke bezüglichen Vorschriften über Belastung (§§ 16 ff.) und
Zwangsvollstreckung (I#§ 20 ff.). Auch ist für die Gläubiger ein besonderes Zwangsliquidations-
verfahren vorgesehen (§§ 40 ff.). Auf diese Weise wird der Kredit dieser Unternehmungen und
damit ihre Betriebs- und Lebensfähigkeit erheblich gestärkt.
5. In gleicher Richtung schützend wirkt das Reichsgesetz vom 3. Mai 1886 betreffend die
Unzulässigkeit der Pfändung von Eisenbahnbetriebsmitteln (RB. 131). Es schützt die Haupt-
und Nebenbahnen, das vorher genannte die Privat= und Kleinbahnen (hierher gehört auch
Art. 23 Jl.), es schützt auch die ausländischen Eisenbahnen gehörenden, im Inland befind-
lichen Fahrbetriebsmittel, wenn die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Nach dem internationalen
Frachtübereinkommen (Art. 2315.) können solche im Gebiete des Ubereinkommens sogar nur
gepfändet werden, wenn eine Gerichtsentscheidung ihres Heimatstaates vorliegt.
II. Der Schutz gegen die schädlichen Folgen des Eisenbahnbetriebes.
Wie so ein öffentliches Interesse dahin geht, den Betrieb der öffentlichen Eisen-
bahnen sich ungestört entwickeln zu sehen, besteht ein gleiches öffentliches Interesse daran,
daß sich dieser Betrieb möglichst ohne Schädigungen der Bevölkerung abspiele. Zur Erreichung
dieses Zieles dienen einerseits alle die Vorschriften der Bau- und Betriebsordnung, die einen
sicheren Zustand der Eisenbahnanlage und der Eisenbahnfahrzeuge erreichen sollen und in dieser
Richtung von der Tätigkeit des Personals gewisse, darauf gerichtete Dienstverrichtungen ver-
langen; es gehören hierher auch die sämtlichen Vorschriften über zuverlässige Eigenschaften
und Befähigungen des Eisenbahnbetriebspersonals an das deshalb ganz besondere An-
forderungen gestellt werden; alles Maßregeln, die darauf gerichtet sind, Unfälle, die aus Nach-
lässigkeiten und Pflichtversäumnissen der mit dem Betriebe befaßten Personen entstehen könnten,
nach Möglichkeit zu vermeiden. Gehen diese Vorschriften darauf hinaus, Unfälle zu verhüten
und insofern zugleich den Betrieb aber auch vor dem Betriebe zu schützen, so hat das Recht
auch ausgesprochene Maßregeln geschaffen, die den schädlichen Folgen des Betriebes Rechnung
tragen. — Der Eisenbahnbetrieb — und zwar der aller Schienenwege — ist ein äußerst gefähr-
licher. Die Schnelligkeit, die Schwere der bewegten Massen und deren große Zahl, die Ver-
wendung von Maschinen und ähnliches sind alles Momente, die dem Recht Anlaß geben, das
Unternehmen als solches im Falle einer eingetretenen Schädigung schärfer zur Verantwortung
zu ziehen. Aus diesem Gesichtspunkte — der auch noch auf andere gefährliche Betriebe ebenso
zutrifft — erklärt sich der Schutz, den das Reichshaftpflichtgesetz (Gesetz betreffend die Verbind-
lichkeit zum Schadensersatz für die beim Betriebe von Eisenbahnen, Bergwerken usw. herbei-
geführten Tötungen und Körperverletzungen vom 7. Juni 1871 Rl. 2071, abgeändert durch
Art. 42 EGBGB.) normiert.
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