Recht des deutschen Verkehrswesens (Verkehrsrecht). 415
wird der Zeitpunkt des Inkrafttretens durch Königliche Verordnung bestimmt 12. Das Gesetz
kodifiziert das ganze Wasserrecht und hebt in seinem & 399 deshalb 79 frühere Gesetze und
Ordnungen auf, schont aber die bestehenden Verhältnisse. Ohne auf den umfangreichen Ge-
samtinhalt des Gesetzes näher einzugehen, seien hier einige für den Verkehr besonders beachtens-
werte Vorschriften heworgehoben, die künftig maßgebend sein werden. Man unterscheidet
nach dem Gesetze nicht mehr „öffentliche“ und „Privat“-Flüsse, sondern Wasserläufe erster Ord-
nung und solche zweiter und dritter Ordnung. Ein dem Gesetz beigegebenes Verzeichnis der
Wasserläufe besagt, welche als solche erster Ordnung anzusehen sind. Dieses Verzeichnis kann
nur durch Gesetz geändert werden. Das Verzeichnis der Wasserläufe zweiter Ordnung stellt
der Oberpräsident — für die Hohenzollernschen Lande der Regierungspräsident — auf. An
den Wasserläufen erster Ordnung steht das Eigentum dem Staate zu, jedoch bleibt das bei In-
krafttreten des Gesetzes etwa bestehende Eigentum eines andern bestehen. Die Wasserläufe
erster Ordnung können von jedermann für den öffentlichen Verkehr, namentlich zur Schiffahrt
und zur Flößerei mit verbundenen Hölzern benutzt werden (§ 26). Zu diesem Zwecke haben
die Eigentümer der Ufergrundstücke und erforderlichenfalls auch die der dahinter liegenden
Grundstücke die Benutzung der Grundstücke als Leinpfad zur Fortbewegung von Schiffen und
Flößen durch Menschen oder Tiere zu gestatten (§ 27). Auch müssen sie den zweck-
entsprechenden Ausbau und die Unterhaltung des Leinpfades durch den Staat dulden. Die
Anlieger an natürlichen Wasserläufen erster Ordnung müssen das Landen und Befestigen von
Schiffen und Flößen gestatten. Dieselbe Verpflichtung besteht — jedoch nur in Notfällen — an
privaten Ein- und Ausladestellen. In Notfällen müssen Anlieger auch das zeitweilige Aussetzen
der Ladung, des Schiffes oder des Floßes dulden (§ 28). Das Gesetz sieht in § 30 eine Schadens-
ersatzpflicht des Schiffseigners oder Floßeigentümers für den durch bestimmungswidrige Be-
nutzung des Leinpfades oder durch das Landen, Befestigen und Aussetzen entstehenden Schaden
vor. Der Schadensersatzanspruch verjährt in einem Jahre.
Die Unterhaltung der Wasserläufe und ihrer Ufer ist im neuen Gesetz (Erster Abschnitt,
4. Titel) so geregelt, daß bei Wasserläufen erster Ordnung die Unterhaltungspflicht ohne Rück-
sicht auf die Eigentumsverhältnisse dem Staate auferlegt ist. Sie umfaßt die Erhaltung der
Schiffbarkeit in dem dem öffentlichen Schiffsverkehr dienenden Fahrwasser (§5 114, 115). Der
Ausbau der Wasserläufe aus Gründen des öffentlichen Wohls ist im 5. Titel des gleichen Ab-
schnitts behandelt. Er ist nur für natürliche Wasserläufe erster und zweiter Ordnung vorgesehen
(s. aber § 175). Wichtig sind dabei namentlich aus den Vorschriften über den Ausbau selbst die
über das Verhältnis der Ausbauberechtigten (§ 155) zu den Beteiligten (§§ 156—162) und über
das Verfahren (§& 163—170).
Wasserpolizeibehörden sind für Wasserläufe erster Ordnung grundsätzlich die Regierungs-
präsidenten (§ 342 (1) T. 1). Für die fünf großen Ströme Rhein, Weser, Elbe, Oder, Weichsel
aber sind die den Oberpräsidenten unterstehenden besonderen Strombauverwaltungen beibehalten
§ 343 (1| Z. 1).
8. Der Verbesserung der Wasserverkehrsverhältnisse dient namentlich das Gesetz vom
1. April 1905 (GS. S. 179) betreffend die Herstellung und den Ausbau von Wasserstraßen,
sogenanntes Wasserstraßengesetz, durch welches im ganzen 334 575 000 Mk. für die preußische
Monarchie zu einer großzügigen Gestaltung der Schiffahrtskanäle bereitgestellt werden; auf
seinem § 18 beruht das Preuß. Gesetz betr. das Schleppmonopol auf dem Rhein-Weser-Kanal
und dem Lippekanal vom 30. April 1913 (GS. S. 217).
1 Die letzte umfassendere Regelung des Wasserrechts in Preußen enthält das ALR., namentlich
Teil I, Titel 8: 35 96—117, 128—132; Titel 9: s§ 223—274, Teil II Titel 14 fF 21, Titel 15
"16 38—49, 55—72, 79 und 229—246. Dazu kommen die Bestimmungen im Rheinischen Bürger-
ichen Gesetzbuch, namentlich die Artikel 538, 556—563, 640—643, 645, 650 und 714.
* Vgl. die Verfügung des Ministers für Landwirtschaft betr. Wassergeset (Aufstellung der
Verzeichnisse der Wassellaufe zweiter Ordnung) vom 26. April 1913 (LMBl. 161), derzufolge der
1. April 1914 als Zeitpunkt des Inkrafttretens in Aussicht genommen ist.