418 Ernst Blume.
Wenn nun von einem Luftfahrtsrecht unter dem Gesichtspunkte des Verkehrsrechts ge-
sprochen werden soll, so müßten an sich alle jene rechtlichen Anordnungen zum Vortrage ge-
langen. Das würde aber weit über den Rahmen der Arbeit und über den verfügbaren Platz
hinausgehen. Wir müssen uns daher auf die zurzeit vorhandenen Sonderbestimmungen be-
schränken.
§ 33. Notwendigkeit einheitlicher Regelung durch das Reich.
Die Gesetzgebung des Deutschen Reiches und der einzelnen Bundesstaaten hat sich bisher
mit einer umfassenden Regelung dieser Dinge noch nicht befaßt. Es kann zweifelhaft sein, ob
schon jetzt nach der Verfassung des Deutschen Reiches dessen Zuständigkeit zur Gesetzgebung
und Beaussichtigung besteht. Vom allgemeinen Gesichtspunkte des Luftfahrtsrechts scheint sie
nicht begründet. Wenn nun auch dieses Recht tatsächlich in allen seinen Fragen sich mehr oder
weniger als Ausläufer der verschiedenen, dem Reiche unterstellten Rechtsgebiete auffassen läßt
und teils Sätze des bürgerlichen, Handels-, Straf-, Zoll-, Prozeß-, Gewerbe-, Wehrrechts um-
faßt, so wird es doch auch hier zweckmäßig sein, durch eine Erweiterung des Art. 4 der Reichs-
verfassung die allgemeine Zuständigkeit des Reichs einwandfrei zu begründen.
Solange das nicht geschehen ist, wird es Sache der Einzelstaaten sein, gesetzgeberisch vor-
zugehen, bis dahin aber ist es Aufgabe der Rechtswissenschaft, dem neuen Beförderungsmittel
zu seinem Rechte zu verhelfen.
Das Bedürfnis nach der Schaffung eines Sonderrechts für die Luftfahrt ist nicht allge-
mein anerkannt. Namentlich warnen erfahrene Vertreter der Wissenschaft vor einer übereilten
Gesetzgebung, da man noch einer zu neuen Erscheinung gegenüberstehe, die sich erst noch aus-
leben müsse. Aber wenn man auch zugeben muß daß das geltende Recht in mancher Hinsicht
sich unschwer eignet, auch auf die Luftfahrt angewendet zu werden, so harren doch einige Grund-
fragen baldiger Klarstellung. Wie man seinerzeit ein anerkannt vorzügliches preußisches Gesetz
über die Eisenbahnunternehmungen schuf, ehe man von einem eigentlichen Einsetzen des Baues
von Eisenbahnen sprechen kann, so wird man auch jetzt sich an den Erlaß eines Luftfahrtsgesetzes
wagen dürfen.
§ 34. Der Luftbeförderungsvertrag.
Der Luftbeförderungsvertrag stellt sich zurzeit noch als ein sonderrechtlich nicht besonders
geregelter Werkvertrag dar, der nach BGB. zu beurteilen ist. Die Haftung des Luftfahrtsunter-
nehmers für die Unversehrtheit seiner Fahrgäste gleicht der des gewöhnlichen Fuhrhalters. Sie
richtet sich nicht nach dem Frachtrecht des HGB. Die Haftung ist die aus dem Vertrage für
Verschulden, sowohl was das Leben und die Gesundheit des Mitfahrenden als die Erfüllung
des Beförderungsvertrages, rechtzeitige Erreichung des Reiseziels anbelangt. Eine Gefährdungs-
haftung wie nach dem Haftpflichtgesetz besteht weder dem Mitfahrenden noch den unbeteiligten
Personen gegenüber. Die letzteren sind lediglich nach den Vorschriften über unerlaubte Hand-
lungen geschützt. Es ist wohl aber nur eine Frage der Zeit, bis der Luftverkehr sein Luftfracht-
recht und sein Lufthaftpflichtgesetz bekommen wird.
Zunächst hat man sich, was die interne Regelung anbetrifft, darauf beschränkt, sicherheits-
polizeiliche Anordnungen zu erlassen.
§ 35. Bisher ergangene luftrechtliche Vorschriften.
1. Die allgemeinste, hierher gehörende Bestimmung ist für Preußen die unterm 22. Okt.
1910 ergangene gemeinschaftliche sicherheitspolizeiliche Verfügung des Ministers des Innern
und des Ministers der öffentlichen Arbeiten betr. die staatlichen Maßnahmen gegenüber den
Luftschiffahrten und dem Flugwesen (Ministerialblatt f. d. Pol V. 1910 317).
Sie sieht im Interesse des noch in der ersten Entwicklung begriffenen neuen Verkehrs
davon ab, mit Strafvorschriften ausgestattete Polizeivorschriften zu empfehlen. In der Er-
wartung des Abschlusses internationaler Vereinbarungen stellt sie den Erlaß einheitlicher gesetz-
geberischer Maßnahmen seitens des Reichs in Aussicht. Jyre wesentlichen Anordnungen sind
folgende.