Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Abgabenrecht. 427 
daß sie gewissermaßen den Übergang von der Gebühr zur Steuer darstellen. Obwohl also be— 
grifflich die Gebühren den Beiträgen näher stehen als den Steuern, unterscheiden sie sich in ihrer 
praktischen Anwendung häufig viel weniger scharf von diesen als von jenen. Insbesondere die 
sog. „Verwaltungsgebühren“, d. h. die für die Inanspruchnahme von Angestellten des Gemein- 
wesens zu einem behördlichen Akte zu entrichtenden — im Gegensatz zu den „Benutzungsgebühren“ 
für die Benutzung, nicht bloß in der Bereithaltung von Angestellten für behördliche Akte bestehen- 
der Veranstaltungen des Gemeinwesens —gehen in der Praxis häufig mit einer Steuer ineinander 
über, sei es daß die Steuer in Gebührenform gekleidet wird, indem das Gemeinwesen die In- 
anspruchnahme einer gebührenpflichtigen Tätigkeit seiner Organe nicht im Interesse der Gebühren- 
pflichtigen, sondern nur um der Erzielung der Einnahmen aus den Gebühren willen vorschreibt 
oder doch die Rücksicht auf diese die auf jenes überwiegt, sei es, daß die Gebühren nicht nur ver- 
möge ihrer den Gesichtspunkt des bloßen Kostenersatzes ausschaltenden Bemessung, sondern auch in 
ihrer Form sich auch äußerlich als Steuern darstellen. Nicht minder flüssig ist aber in der Praxis 
auch die Grenze zwischen öffentlich-rechtlicher Gebühr und der — privatrechtlichen — nach einem 
vom Gemeinwesen aufgestellten Tarif bemessenen Vergütung für eine Leistung des Gemein- 
wesens 1. Für unsere Aufgabe, die in einer Darstellung des geltenden Abgaben rechts besteht, 
kommt es indes nicht darauf an, ob sich eine Leistung an ein Gemeinwesen vom Standpunkt 
der empfangenden Gemeinwirtschaft und der leistenden Wirtschaft als privatwirtschaftliche 
Vergeltung, als Gebühr, als Beitrag oder als Steuer darstellt, sonderm nur darauf, welcher 
Kategorie sie das geltende Recht des Gemeinwesens zuzählt. 
Wie sich aus den vorstehenden Begriffsbestimmungen der Abgaben und ihrer Unter- 
arten, den Steuern, Gebühren und Beiträge, ergibt, ist ihre Erhebung nicht nur seitens der 
politischen Körper möglich, sondern auch seitens aller andern innerhalb des Staates bestehenden 
öffentlich-rechtlichen Verbände, sofern und soweit sie von dem Staate mit dem Recht hierzu, 
mit einer Abgabengewalt ausgestattet sind. Unsere Darstellung des Abgaben- 
rechts, d. i. des Inbegriffes der auf die Erhebung öffentlich-rechtlicher Abgaben bezüglichen 
Rechtsnormen, beschränkt sich indes auf dasjenige der politischen Kör- 
per, also in Deutschland des Deutschen Reiches, der Einzelstaaten, 
vondenenjedochneben Preußennurdiegrößten Erwähnungfinden 
können, und der kommunalen Verbände. 
Das Abgabenrecht der politischen Körper bildet einen Teil ihres Finanzrechts, d. h. der Ge- 
samtheit der Rechtsnormen, welche die Beschaffung, Verwaltung und Verwendung der zur Er- 
füllung ihrer Aufgaben erforderlichen Sachgüter betreffen. In diesem weiten Sinne umfaßt das 
Finanzrecht nicht bloß ein geschlossen auftretendes Rechtsgebiet, sondern Normen fast aller Ge- 
biete des öffentlichen und des Privatrechts: jede Norm irgendeines Rechtsgebiets wird zugleich 
zu einem solchen des Finanzrechts, wenn sie auch für die Finanzwirtschaft des politischen Körpers 
Bedeutung hat. Im eigentlichen Sinne ist aber der Begriff des Finanzrechts auf diejenigen Rechts- 
normen zu beschränken, welche nur das Finanzwesen des politischen Körpers regeln. Es um- 
faßt dann einerseits diejenigen, welche die gegenseitigen Rechte und Pflichten der gesetzgebenden 
Faktoren unter sich und gegenüber der vollziehenden Gewalt auf dem Gebiete des Finanzwesens 
bestimmen, insbesondere also die verfassungsmäßigen Bedingungen und Schranken der Finanzver- 
waltung enthalten, und anderseits diejenigen, welche die gegenseitigen Rechte und Pflichten 
zwischen dem politischen Körper und denjenigen Rechtssubjekten regeln, mit denen der politische 
Körper als solcher, also vermöge öffentlichen Rechts bei Beschaffung, Verwaltung und Verwendung 
seiner Sachgüter in Beziehung tritt. Jene die verfassungsmäßigen Bedingungen und Schranken 
der Finanzverwaltung enthaltenden Normen des Finanzrechts bilden einen Teil des Verfassungs- 
rechts, und zwar einen der wichtigsten. Sie, die man insbesondere in Anwendung auf den (Einzel- 
und zusammengesetzten Staaten-) Staat als „Budgetrecht“ bezeichnet, finden daher ihren 
Platz in denjenigen Teilen dieser Enzyklopädie, in denen die Verfassung des Staates, des Reiches 
und der kommunalen Verbände zur Darstellung gelangt. Hier bedarf es neben der Darstellung 
der das Abgabenwesen im einzelnen regelnden Normen nur der Berührung der dort behandelten 
allgemeinen Verfassungsgrundsätze, auf denen die Gestaltung des Abgabenrechts im einzelnen beruht. 
  
1 Über die voneinander abweichenden Begriffsbestimmungen der Gebühren vgl. neben 
den betreffenden Artikeln im „Handwörterbuch der Staatswissenschaften“, „Wörterbuch der Volks- 
wirtschaft", Bitterschen „Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung“ und Stengel- 
schen „Wörterbuch des Verwaltungsrechts“ sowie den Lehr= und Handbüchern der Finanzwissen- 
schaft die Monographien von Arndt („Über Gebühren“ im Verwaltungsarchiv Bd. II S. 432 ff.), 
W. Moll (,Über Gebühren“ daselbst Bd. 18 S. 155 ff.) und Töpfer („Der Begriff der 
öffentlich-rechtlichen Gebühr“ im „Finanzarchiv“, Jahrg. 26 S. 491 ff.).
	        
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