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die Ertragssteuern zu ersterer — sucht die Erbschaftssteuer die Steuerpflichtigen nach ihrer
Leistungsfähigkeit heranzuziehen. Sie bleibt aber in dieser Hinsicht ein Torso, solange sie an
dem Erbanfall an Abkömmlinge und Ehegatten, mag die Erbschaft noch so groß sein, vorüber-
geht. Die Rechtfertigung der Zuwachssteuer endlich als Reichssteuer pendelt zwischen dem
Gesichtspunkt einer Abgeltung des Einflusses des Reiches auf die Werterhöhung des Grund-
besitzes — also Aquivalenztheorie — und dem der Erfassung der durch die Realisierung dieser
Werterhöhung ohne eigenes Zutun gesteigerten Leistungsfähigkeit des Veräußerers — Opfer-
theorie — hin und her.
§ 3. Die materiell-rechtliche Gestaltung der einzelnen Reichssteuern. [Die Zölle,
die man gemeinhin neben die Steuern und speziell neben die Verbrauchssteuern zu stellen
pflegt, sind in Wahrheit nichts anderes, als an den Vorgang der Verbringung von Waren aus
einem öffentlich-rechtlich abgegrenzten Gebiet (Zollgebiet) in ein anderes geknüpfte Verbrauchs-
steuerm. Die für Rechnung des Reiches erhobenen sind heute ausnahmslos Eingangs(Einfuhr-zölle
im Gegensatze zu Ausgangs(Ausfuhr-)zöllen und Außen- im Gegensatz zu Binnenzällen, d. h.
sie werden nur erhoben aus Anlaß des Eingangs der Ware über die Außengrenze des Reichs-
zollgebiets, nicht auch, wenn Waren das letztere verlassen oder aus einem Teile desselben in
einen andern verbracht werden. Das Reichszollgebiet deckt sich nicht völlig mit dem Gebiete
des Deutschen Reiches, sondern umfaßt dieses einerseits mit Ausnahme der sog. „Zollausschlüsse“,
andererseits aber auch die sog. „Zollanschlüsse“. Erstere, d. h. Teile des Reichsgebiets, welche
zollrechtlich als Ausland behandelt werden, sind heute noch einige wegen ihrer Lage zur
Einschließung in die Zollgrenze nicht geeignete badische Gemeinden, die Insel Helgoland 1
und die sog. „Freihäfen“ von Hamburg, Kuxhafen, Bremen, Bremerhaven, Geestemünde
und Emden. Der Zweck dieser Freihäfen ist die Förderung des Handels mit dem Auslande,
indem von dort eingehende Waren im Inlande innerhalb des Freihafengebiets umgeladen,
umgesetzt, be- und verarbeitet werden können, ohne der Verzollung und Zollkontrolle zu unter-
liegen. Die Freihafengebiete umfassen heute nur noch räumlich eng begrenzte Teile der be-
treffenden Gemeindebezirke, während bis zum 15. Oktober 1888, von welchem Zeitpunkt ab
Hamburg und Bremen auf die ihnen im Art. 34 der Reichsverfassung gewährleistete Freihafen=
stellung im übrigen verzichteten, der Ausschluß von der Zollgrenze sich auf das ganze hamburgische
und bremische Staatsgebiet, Teile der preußischen Gemeinden Altona, Wandsbek und Geeste-
münde, einige kleinere hannoversche Gebietsteile an der Unterelbe und Unterweser, die olden-
burgische Stadt Breke, bis 1882 sogar auf die ganze Unterelbe von Altona an erstreckte 2.
Die sog. „Zollanschlüsse“ sind umgekehrt Gebiete oder Gebietsteile fremder Staaten, die zoll-
rechtlich als Inland behandelt werden; es sind das Großherzogtum Luxemburg und zwei öster-
reichische, an der bayrischen Grenze gelegene Gemeinden s.
Die zollpflichtigen Gegenstände sind in dem einen und zwar den wichtigsten Bestandteik des.
Zolltarifgesetzes" bildenden Zolltarif aufgeführt. Ihre Gruppierung ist dort nach volkswirt-
schaftlichen Gesichtspunkten vorgenommen, während sie in den früheren Tarifen in alphabetischer
Reihenfolge aufgezählt waren 5). Die Zölle sind überwiegend Gewichtszölle, d. h. der Zoll-
betrag der zur Verzollung gelangenden Ware richtet sich nur nach ihrem Gewicht. Bei einer
geringeren Anzahl von Waren findet Verzollung nach dem Raummaß und nach der Stückzahl
statt; eigentliche Wertzölle sind erst durch die Reichsfinanzreform in Gestalt eines Wertzuschlages
zu dem Gewichtszoll für Tabakblätter und Zigarren eingeführt. Maßgebend ist bei den Gewichts-
1 Gesetz vom 15. Dezember 1890 (RöBl. S. 207).
2 Uber die sog. „Freibezirke“ oder „Freigebiete“ vgl. unten §& 4.
s Die Zollanschlüsse beruhen auf Staatsverträgen.
Das jetzt geltende vom 25. Dezember 1902 (Rhl. S. 303), hinsichtlich der durch die Reichs-
finanzreform von 1909 mit höheren inländischen Verbrauchssteuern belegten Gegenstände und.
hinsichtlich des Kaffee= und Teezolls geändert durch die Finanzreformgesetze vom 15. Juli 1909.
Die Vorschriften über die Tabakzölle und den Salzzoll befinden sich in den betreffenden Verbrauchs-
steuergesetzen.
* Eine alphabetische Aufführung unter Hinweis auf die Tarifnummer enthält das gemäß
512 des — vom Reiche übernommenen — Vereinsgollgesetzes vom 1. Juli 1869 zur richtigen An-
wendung des Zolltarifs aufgestellte „Amtliche Warenverzeichnis“.