Abgabenrecht. 445
Berücksichtigung die Leistungsfähigkeit beeinträchtigender besonderer Verhältnisse zulässig ist, sehr
erheblich, das preußische bis auf Einkommen von 12500, das bayrische und hessische auf 6000,
das sächsische auf 5800, das württembergische auf 5000 Mk., heraufgesetzt, sondern sie sind,
nach dem Vorgange Preußens, auch dazu übergegangen, allgemein für kleinere und mittlere
Einkommen die Zahl der Familienangehörigen, die der Steuerpflichtige zu unterhalten hat, zu be-
rücksichtigen. Entweder geschieht das, wie jetzt in Preußen sowie Bayern und Württemberg,
indem je nach deren Zahl eine Ermäßigung um eine oder mehrere Steuerstufen gewährt wird,
oder indem, wie früher in Preußen und jetzt noch in Sachsen, für jedes derartige Familienglied
ein bestimmter Betrag vom steuerpflichtigen Einkommen gekürzt wird. Preußen geht auch in
dieser Hinsicht weit höher hinauf wie andere Staaten, bis zu Einkommen von 9500 Mk. Das
Einkommen der nicht getrennt lebenden Ehefrau wird außer in Sachsen, wo sie nach dem ihrer
Verfügung unterliegenden besonders veranlagt wird, dem des Ehemannes zugerechnet.
Wie die materiellen, so weisen auch die formellen Bestimmungen in den einzelnen
Staaten zwar sehr mannigfache Verschiedenheiten, aber doch namentlich zwischen den größern
Staaten in den Grundgedanken eine weitgehende UÜbereinstimmung auf. Überall erfolgt die
Veranlagung durch Kommissionen, die entweder, wie in Preußen und Württemberg,
für den Bezirk der untern Verwaltungsbehörde (Kreis, Oberamtsbezirk) oder, sei es für alle,
sei es, wie in Hessen, nur für kleinere Einkommen, für jede Gemeinde oder endlich für besondere
Steuerbezirke gebildet werden, zum Vorsitzenden einen ernannten Beamten, in Preußen in
der Regel den Landrat bzw. Oberbürgermeister, in Baden zwar den Bürgermeister, neben
dem aber als der Leiter der Veranlagung und Vertreter des Staatsinteresses der Steuer-
kommissär steht, in andern Bundesstaaten einen Beamten der Finanzverwaltung haben und
aus gewählten oder, in Preußen, aus in der Mehrzahl gewählten, in der Minder-
zahl von der Finanzverwaltung ernannten Mitgliedern bestehen. Doch findet in Preußen
eine „Voreinschätzung“ der physischen Personen mit Einkommen bis zu 3000 Mk. durch
in ähnlicher Weise für eine oder mehrere Gemeinden (Gutsbezirk) unter dem Vorsitz
eines Gemeinde Guts-)vorstehers gebildete Voreinschätzungskommissionen statt; tritt der Vor-
sitzende der Veranlagungskommission ihrem Beschluß bei, so ist damit die Veranlagung
ohne Mitwirkung der Veranlagungskommission erfolgt. Die Vorbereitung der Veran-
lagung ist Sache des Vorsitzenden der Veranlagungskommission — in Bayern des
Rentamts, in Baden des Steuerkommissärs — unter Mitwirkung der Gemeinde-
behörden. Zur Erteilung von Auskünften sind auch alle sonstigen öffentlichen Behörden und
Beamten einschließlich der Notare verpflichtet mit Ausnahme der Verwaltungen des Reichs-
und des Staatsschuldbuchs und in Preußen der Sparkassen. Zur Vernehmung von Zeugen
sind in der Regel nur die Veranlagungskommissionen, nicht schon ihre Vorsitzenden, und die
Rechtsmittelbehörden ermächtigt. Die Grundlage der Veranlagung bilden aber fast überall Steuer-
erklärungen der Steuerpflichtigen, zu denen indes kraft Gesetzes meist nur solche verpflichtet
sind, die bisher ein gewisses Mindesteinkommen — in Preußen 3000, in Bayern 2000, in
Sachsen 1600, in Württemberg und Hessen 2600 Mk. — versteuerten, andere nur auf be-
sondere Aufforderung der die Veranlagung vorbereitenden und leitenden Beamten oder Behörden
oder in einzelnen Staaten der Gemeindebehörde. In Baden besteht die Deklarationspflicht nur
für noch nicht oder nach einem hinter ihrem gegenwärtigen zurückbleibenden Einkommen ver-
anlagte Steuerpflichtige, und auch Hessen nimmt solche, deren Wohnsitz und steuerpflichtiges
Einkommen sich nicht geändert hat, von der allgemeinen Fassionspflicht aus. Die Nicht= oder
nicht rechtzeitige Abgabe-der Steuererklärung pflegt entweder, wie in Sachsen, Württemberg
und Hessen, Verlust der Rechtsmittel oder, wie in Bayern und seit 1906 in Preußen, einen
prozentualen Zuschlag zur Steuer zur Folge zu haben. Die Steuererklärung ist indes keine die
Veranlagungsbehörde bindende „Selbsteinschätzung“, wenn auch in einzelnen Staaten, wie in
Preußen und Hessen, von den Angaben der Steuererklärung nur nach vorgängiger Verhand-
lung mit dem Steuerpflichtigen abgewichen werden darf. Eine wichtige Ergänzung der Steuer-
erklärung bildet in Preußen und einigen andern Bundesstaaten die Verpflichtung des Arbeit-
gebers, über das Arbeitseinkommen seiner Arbeitnehmer Auskunft zu geben.
Dem Rechtsmittelzug gegen die Veranlagung ist in den meisten Staaten mit
dem Verwaltungsstreitverfahren gemeinsam, daß in letzter Instanz auf eine der prozessualen