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Untertanen beziehen, welche der Staat von ihnen lediglich kraft seines Hoheitsrechtes ohne
Rücksicht auf eine ihnen hierfür gewährte spezielle Gegenleistung gewahrt. Zweifelhafter
liegt die Frage nach dem Wortlaut der sächsischen Verfassung (§ 37): „Kein Untertan
soll mit Abgaben oder anderen Leistungen beschwert werden, wozu er nicht vermöge der
Gesetze, oder kraft besonderer Rechtstitel, verbunden ist.“ Fehlt es an ausdrücklichen Vor-
schrijten über das Erfordernis eines Gesetzes für die Zulassigkeit der Erhebung von Ge-
bühren, so kann die Erforderlichkeit eines Gesetzes um so weniger angenommen werden
als — im Gegensatz zu den Rechten des Bundesrats und des Raisers, — in den Einzel-
staaten die Staatsgrundgesetze nicht erst die Rechte des Landesherrn geschaffen, sondern die bereits
bestehenden nur beschränkt haben, diese seine Rechte, zu denen unzweifelhaft auch das zur Er-
sorderung von Gegenleistungen für besondere Leistungen des Staates gehörte, also bestehen
geblieben sind, soweit sie nicht durch die Verfassung aufgehoben oder beschrankt sind. Mit einer
solchen Beschränkung des Rechtes des Landesherrun und kraft seines Auftrages der Behörden,
Gebühren zu erfordern, ist es nicht gleichbedeutend, wenn die Emnahmen aus den Gebühren wie
alle sonstigen Staatseinnahmen auf den der Landesvertretung vorzulegenden Staatsvoranschlag
gebracht werden müssen. Welche Bedeutung der Aufnahme in diesen beiwohnt, richtet sich nach
dem im einzelnen verschiedenen Umfang und Charakter des Budgetrechts der betreffenden Landes-
vertretung, worüber auf die Darstellung des Staatsrechts zu verweisen ist. Tatsächlich ist die
Praxis im allgemeinen dahin gegangen, daß die Regelung der Gebühren für einzelne Hand-
lungen der Organe des Staates in weiterem Umfange als die derjenigen für Benutzung seiner im
öffentlichen Interesse unterhaltenen sachlichen Veranstaltungen, unter jenen in weitestem Maße der
Gebühren der Rechtspflege, durch Gesetz erfolgt ist, und daß man sie in dem Großstaate Preußen
mehr als in den Mittel- und Kleinstaaten der bloßen Verordnung überlassen hat. Doch hat
wie bei den Verwaltungsgebühren hinsichtlich der Gerichtskosten, so auch bei einer Art der Be-
nutzungsgebühren das Reich in die Abgabenhoheit der Einzelstaaten eingegriffen: nach Art. 54
der Reichsverfassung in der Fassung des Gesetzes v. 24. Dezember 19111 dürfen Abgaben auf
natürlichen und künstlichen Wasserstraßen sowie in Häfen nur für der Erleichterung des Verkehrs
dienende Werke und Einrichtungen und nur zur Deckung der Herstellungs= und Unterhaltungs-
kosten, Befahrungsabgaben im Bereiche der Binnenschiffahrt zur Deckung der Gesamttkosten
für eine Wasserstraße, ein ganzes Stromgebiet oder Wasserstraßennetz erhoben werden. Für
Rhein, Weser und Elbe sind durch das gedachte Reichsgesetz besondere Strombauverbände
der Uferstaaten gebildet, denen auch die Regelung der Abgaben auf diesen Strömen im Rahmen
des Gesetzes obliegt.
Im einzelnen sind die Anwendungsgebiete der Gebühren, der vielspältigen Betätigung
des modernen Staates entsprechend, ungemein mannigfaltig. Eigentümlich ist den Gebühren,
daß die Beitreibung in gleicher Weise wie die der Steuern im Wege des Verwaltungszwangs-
verfahrens erfolgt, daß dagegen — anders wie bei den Gebühren der Kommunalverbände —
auch dort, wo gegen die Heranziehung zu Steuern ein Verwaltungsrechtsschutz gewährt ist, dieser
gegen diejenige zu Gebühren nicht oder, wie in Bayern, nur hinsichtlich bestimmter Arten von
Gebühren stattfindet und den Pflichtigen im übrigen nur der ordentliche Rechtsweg, in Preußen
im allgemeinen sogar nur die Verwaltungsbeschwerde offengelassen ist.
In entgegengesetztem Sinne wie für die Gebühren ist die Frage, ob es zu ihrer Einführung
nach den vorerwähnten Verfassungsbestimmungen eines Gesetzes bedürfe, für die, übrigens
als staatliche Abgabe noch wenig in Anwendung gebrachten, Beiträge zu beantworten, d. i.
für einseitig vom Staate festgesetzte Abgaben, welche von denjenigen, die aus einer bestimmten
Veranstaltung des Staates besondere wirtschaftliche Vorteile haben, mit Rücksicht auf letztere,
aber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Benutzung der Veranstaltung zur Deckung ihrer Kosten
erfordert werden. Indem sie das Moment des unbedingten, nicht durch den — wenn auch nur
theoretisch möglichen — Verzicht auf die Inanspruchnahme einer Leistung des Staates oder
auch nur — wie bei den indirekten Steuern — auf eine eigene, abgabepflichtig machende Hand-
lung vermeidbaren Zwanges enthalten, nähem sie sich so sehr den Steuem, daß sie als
unter diese im Sinne der erwähnten Verfassungsbestimmungen, natürlich erst recht unter die
ReBl. S. 1137.