Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Abgabenrecht. 453 
„Auflagen“ und „Leistungen“ fallend angesehen werden müssen. Der das Verlangen der Ge- 
setzmäßigkeit jeder Steuer beherrschende Gedanke trifft auf sie in demselben Maße wie auf die 
Steuern im eigentlichen Sinne zu. Tatsächlich ist wohl auch nic und nirgends bezweifelt worden, 
daß die Auferlegung derartiger Beiträge nur durch Gesetz oder kraft gesetzlicher Ermächtigung 
erfolgen kann. 
Das Kommunalabgabenrecht. 
§ 11. Erste und zumal in einem größern Staat schwierigste Aufgabe eines befriedigenden 
Kommunalabgabenrechts ist es, einen billigen Ausgleich nicht bloß zwischen den Interessen 
des Abgabeberechtigten und des Abgabepflichtigen herzustellen, sonderm vor allem auch zwischen 
dem Bedürfnis der kommunalen Verbände nach einer ihren verschiedenartigen Verhältnissen 
entsprechenden Bewegungsfreiheit und den Rücksichten auf die Staats- und in Deutschland die 
Reichsbesteuerung, endlich auch zwischen den konkurrierenden kommunalen Verbänden ver- 
schiedener Ordnung. In Preußen, wo das Abgabenwesen der Gemeinden durch das Kom- 
munalabgabegesetz vom 14. Juli 1893 1, das der Kreise und Provinzen (in Hessen-Nassau Bezirks- 
verbände der beiden Regierungsbezirke) durch das Kreis= und Provinzialabgabengesetz vom 
23. April 19062 eine erschöpfende Regelung gefunden haben, sind daher einerseits Regeln auf- 
gestellt, welche den Kommunalverbänden einen weiten Spielraum, und zwar den Gemeinden, 
bei denen die Berücksichtigung örtlicher Verschiedenheiten in höherem Grade möglich ist, noch 
weiteren als den größeren Verbänden, lassen und unter gewissen Verhältnissen noch verlassen 
werden können. Andererseits sind die Interessen des Staates und der Abgabepflichtigen durch 
das Erfordernis der staatlichen Genehmigung zu autonomen Abgabesatzungen und zu bestimmte 
Grenzen überschreitenden oder von der Regel abweichenden Steuewerteilungsbeschlüssen ge- 
wahrt. Steuerpflichtig sind auf dem Gebiete der direkten Steuerm die Einzelnen nur der Ge- 
meinde gegenüber, während der Kreis seinen direkten Steuerbedarf auf die Gemeinden und 
Gutsbezirke, die Provinz den ihrigen auf die Kreise und kreisfreien Städte (Stadtkreise) ver- 
teilt 3. Im Gegensatz zur Staatsbesteuerung steht das preußische Kommunalabgabenrecht auf 
dem Standpunkte, daß die Verteilung der kommunalen Lasten nicht ausschließlich nach 
der individuellen Leistungsfähigkeit zu erfolgen habe, sondern daß daneben dem Grundsatz 
einer Heranziehung nach dem Verhältnis von Leistung und Gegenleistung eine entsprechende 
Beachtung gesichert werden müsse, und zwar in den enger Kommunalverbänden, den Ge- 
meinden, in noch größerem Umfange als in den weitem, den Kreisen und Provinzen. Des- 
halb und um die Steuerlast in möglichst engen Grenzen zu halten, müssen in der Regel ge- 
werbliche Unternehmungen der Kommunalverbände so verwaltet werden, daß ihre Einnahmen 
mindestens ihre Ausgaben decken, deshalb können die Kreise und Provinzen und müssen in der Regel, 
wenn andernfalls die Kostendeckung durch Steuern erfolgen müßte, die Gemeinden Ge- 
bühren für Benutzung ihrer Veranstaltungen und Beiträge, können die Gemeinden 
auch gewisse Verwaltungsgebühren und die Kurorte Kurtaxen erheben. Es wird ferner den 
Gemeinden innerhalb der reichsgesetzlichen Schranken die Erhebung von in direkten 
Steuern allgemein mit Ausschluß nur der Neueinführung von Verbrauchsabgaben auf 
notwendige Lebensbedürfnisse gestattet, während die Kreise wenigstens einzelne bestimmte 
indirekte Steuern, nämlich auf den Erwerb von Grundstücken, auf die Erlangung der Erlaubnis 
zum Betriebe der Gast= oder Schankwirtschaft oder des Kleinhandels mit Branntwein oder Spiritus 
und auf das Halten von Hunden einführen können. Die reichsgesetzlichen Schranken bestehen 
insbesondere in dem Verbot von Verbrauchsabgaben auf Getreide, Hülsenfrüchte, Mühlen- 
fabrikate, Backwaren, Vieh und Fleisch durch § 13 des Zolltarifgesetzes, in dem Verbot und in 
Beschränkungen anderer Verbrauchsabgaben nach dem Zollvereinsvertrage vom 8. Juli 1867 
und in dem Verbote selbständiger Gemeindewertzuwachssteuern und anderer als der vom Reichs- 
1 GS. S. 152, in Einzelheiten geändert durch Gesetze vom 30. Juli 1895, 24. Juli 1906 und 
22. Juni 1907 (G. S. 409, 377 und 199), und hinsichtlich einzelner Bestimmungen authentisch 
deklariert dn Geset vom 24. Juli 1906 (a. a. O. S. 376). 
2 GS. . 159. 
»Ausnahme 8 7 Abs. 6 Kr. u. Prov.-Abg.-Gesetz.
	        
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