Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Deutsches Staatsrecht. 43 
dem Oberhaupte des Staates vereinigtbleiben, und der Souverän kann 
durch eine landständische Verfassung nur in der Ausübung bestimmter Rechte an 
die Mitwirkung der Stände gebunden werden.“ 
Inzwischen hatten nun schon mehrere deutsche Staaten die Verheißung der Bä. erfüllt 
und konstitutionelle Verfassungen bei sich eingeführt. Die ersten derselben, leidlich gelungene 
Versuche im kleinen, waren die Landesverfassungen für Nassau (schon 1814), Sachsen-Weimar 
(1816) und einige andere thüringische Kleinstaaten. Viel wichtiger aber war der Übergang der 
süddeutschen Mittelstaaten, Bayerns, Württembergs, Badens und Hessens, zum konstitutionellen 
System. 
In allen diesen Staaten war die normale Vorstufc der konstitutionellen Staatsordnung, 
die absolute Monarchie, teils schon im 17. und 18. Jahrhundert (Baden, Bayern), 
teils im Zusammenhang mit der Proklamation der äußeren Souveränetät durch den Press- 
burger Frieden von 1805 (Württemberg) erreicht und hergestellt worden. Und eben kraft ihrer 
unbeschränkten gesetzgeberischen Machtfüllc ordnen sodann die Monarchen dieser Staaten den 
Verfassungszustand von Grund aus neu nach dem Richtmaß der konstitutionellen Gedanken; 
bei aller Verschiedenheit des Verlaufs im einzelnen erscheint der Übergang zur konstitutionellen 
Ordnung doch in allen diesen Ländern, der französischen Charte von 1814 analog, als frei- 
schöpferische Tat, als Selbstbeschränkung der absoluten Monarchie. 
In Bayern war es zur Rheinbundszeit, im Jahre 1808, zum Erlaß einer Scheinkonstitution 
nach napoleonischem Muster gekommen, die aber niemals in praktische Wirksamkeit trat; es 
wurde in den Formen der absoluten Monarchie weiterregiert. Erst nach dem Friedensschluß 
von 1814 gelangte die Verfassungsfrage wieder in Fluß. Eine aus hohen Staatsbcamten zu- 
sammengesetzte, staatsratsähnliche Kommission wurde mit der Ausarbeitung eines Verfassungs- 
entwurfes beauftragt und das Ergebnis dieser Arbeit unter dem 26. Mai 1818 als Verfassungs- 
urkunde des Königreichs Bayern vom Könige sanktioniert und verkündigt. In gleicher Weise, 
durch einseitige gesetzgeberische Anordnung des letzten absoluten Herrschers, vollzog sich der Schritt 
vom Absolutismus zum Konstitutionalismus in Baden: Verfassungsurkunde vom 22. August 
1818. Außerlich betrachtet anders als in Bayem und Baden kam die württembergische 
Verfassungsurkunde vom 25. September 1819 zustande. Sie wurde vom König publiziert, 
nachdem ihr Inhalt mit einer ad hoc im Jahre 1817 zusammenberifenen „Ständeversamm- 
lung“, einer Repräsentation der Landesbevölkerung, vereinbart worden war; sie ist ausgefertigt 
und beurkundet als ein „Vertrag“" zwischen Krone und Ständen, worin, wie man wohl gesagt 
hat, der Typus der „paktierten“ Verfassung zum Ausdruck kommen soll, — im Gegensatz zu den 
„oktroyierten“, d. h. von der absoluten Krone einseitig verordneten Staatsgrundgesetzen Bayerns, 
Badens (und Preußens: „oktroyierte“ Verfassung vom 5. Dezember 1848 fK. unten S. 46). 
Dennoch ist die württembergische Verfassung von den Verfassungen Bayems und Badens 
staatsrechtlich nicht verschieden, weder in bezug auf ihre Natur noch im Rechtsgrunde 
ihrer verbindlichen Kraft. Die erstere ist nicht die eines Vertrages oder einer Vereinbarung, 
denn die sog. „verfassungsvereinbarende Ständeversammlung“ war kein Rechtssubjekt, mit 
welchem im Sinne Rechtens paktiert werden konnte. Und der letztere ist nicht die Tatsache einer 
übereinstimmenden Willenserklärung von Krone und „Ständeversammlung“, sonderm der ein- 
seitige Wille der Krone, denn die Versammlung war eine bloße Notabelnversammlung, deren 
bloßes Dasein und deren Kompetenz die bestehende absolute Monarchic nicht — noch nicht — 
in eine beschränkte Monarchie verwandelte — eine Versammlung, mit der die noch immer 
absolute Krone sich umgeben hatte, um sich von ihr über den folgenschweren und unwiderruf- 
lichen Schritt vom Absolutismus zum Konstitutionalismus beraten zu lassen. Auch die württem- 
bergische VU. ist sonach von einem bis zu ihrer Unterzeichnung noch absoluten Herrscher aus 
eigener Machtvollkommenheit erlassen worden, und es gilt auch hier der für alle deutschen kon- 
stitutionellen Staatsgrundgesetze zutreffende Satz, daß die Krone nicht auf dem Willen der Ver- 
fassung, sondern umgekehrt die Verfassung auf dem Willen der Kronc ruht. 
Nachdem im Jahre 1820 noch das Großherzogtum Hessen eine „landständische“ Verfassung 
— vom 17. Dezember 1820 — erhalten hatte, trat zunächst, unter dem Einfluß der reaktionären 
Strömungen der zwanziger Jahre, ein Stillstand in der deutschen konstitutionellen Bewegung 
ein, welche letztere erst durch die französische Julirevolution wiederum einen Antrieb nach vor-
	        
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