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scheiden ist, in der ein Spruchsenat eines Landesversicherungsamts von einer grundsätzlichen
Entscheidung des Reichsversicherungsamts abweichen will.
Landesversicherungsämter bestehen für Bayern, das Königreich Sachsen und für
Baden 1.
II. Feststellungsverfahren:. 1. Anträge auf die Leistungen der Kranken-
versicherung werden bei der Krankenkasse 3 gestellt. Entsteht Streit, so entscheidet in erster
Instanz das Versicherungsamt, auf Berufung in zweiter Instanz das Ober-
versicherungsamt und in den wichtigeren Fällen " auf Revision in dritter Instanz das
Reichsversicherungsamt bzw. das Landesversicherungsamt. Die Revision kann nur
darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Nichtanwendung oder auf der un-
richtigen Anwendung des bestehenden Rechtes oder auf einem Verstoße wider den klaren Inhalt
der Akten beruhe, oder daß das Verfahren an wesentlichen Mängeln leide.
Besonders heworzuheben sind folgende Vorschriften, die zur Wahrung einer einheit-
lichen Rechtsprechung im Deutschen Reiche dienen sollen:
Will das Obewersicherungsamt in einem Falle, in welchem die Revision ausgeschlossen
ist, von einer amtlich veröffentlichten grundsätzlichen Entscheidung des Reichsversicherungsamts
(Landesversicherungsamts) abweichen, oder handelt es sich in einem solchen Falle um eine noch
nicht festgestellte Auslegung gesetzlicher Vorschriften von grundsätzlicher Bedeutung, so hat es die
Sache zur Entscheidung an das Reichsversicherungsamt (Landesversicherungsamt) abzugeben
(5 1693 RVO.). Will in einer grundsätzlichen Rechtsfrage ein Senat des Reichsversicherungs-
amts von der Entscheidung eines anderen abweichen, so hat er die Sache an den Großen Senat
zu verweisen. Das gleiche gilt, wenn ein Senat eines Landesversicherungsamts von einer amt-
lich veröffentlichten Entscheidung des Reichsversicherungsamts in einer grundsätzlichen Rechts-
frage abweichen will (§§ 1717, 1718 RVO.).
2. Neben dem Spruchverfahren ist das Beschlußverfahren näher geregelt S. Die
Rechtsmittel sind Beschwerde und weitere Beschwerde, über welche die Versicherungsbehörden
zu entscheiden haben.
Zweiter Abschnitt: Unfallversicherung.
1. Rechtsquellen. Früheres Recht: Gesetz, betr. die Abänderung der Unfallversicherungs-
gesetze (sog. Hauptgesetz), Gewerbe-Unfallversicherungsgesetz, Unfallversicherungsgesetz für Land-
und Forstwirtschaft, Bau-Unfallversicherungsgesetz und See= Unfallversicherungsgesetz, sämtlich vom
30. Juni 1900, in der Fassung der Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 5. Juli 1900 (RBl.
S. 573—773); ferner das Unfallfürsorgegesetz für Beamte und Personen des Soldatenstandes
vom 18. Juni 1901 (RGBl. S. 211 ff.) und das Gesetz, betr. die Unfallfürsorge für Gefangene,
vom 30. Juni 1900 (RBl. S. 536 ff.) —h) Neues Recht: Reichsversicherungsordnung vom
19. Juli 1911 (R#l. S. 509 ff.), insbesondere Buch III (5# 537—1225) und Einführungsgesetz
zur Reichsversicherungsordnung vom 19.-Juli 1911 (Rl. S. 839 ff.), insbes. Art. 43—63.
2. Literatur: Außer der oben S. 463 Anm. 3 nachgewiesenen, das gesamte soziale Versicherungs-
recht umfassenden Literatur sind hier noch folgende ältere Schriften zu erwähnen: Piloty, Das
Reichsunfallversicherungsgesetz, dessen Entstehungsgeschichte und System, 3 Bde., Würzburg 1890/91,
Dresden 1893, Materialiensammlung von C. Graef, Die Unfallversicherungsgesetze des Deutschen
Reichs, 4. Aufl., Berlin 1904; Kommentare von W. Hahn (Die Unfallversicherungsgesetze, Bd. 1),
Leipzig 1901; Handbuch der Unfallversicherung in drei Bänden, dargestellt von Mitgliedern
des Reichsversicherungsamts, 3. Aufl., Leipzig 1909, 1910; Landmann-Proebst (Gewerbe-
Unfallversicherungsgesetz), 2. Aufl., München 1902; Oefele (Gewerbe- und Bau-- Unfallversiche-
rungsgesetz), München 1902; Rasp-Meinel (Unfallversicherungsgesetz für Land= und Forst-
wirtschaft), 2. Aufl., München 1902; v. Woedtke-Caspar (Gewerbe-Unfallversicherungsgesetz),
1 Früher bestanden acht Landesversicherungsämter, und zwar noch je eins für Württemberg,
Hessen, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz und Reuß-Greiz.
: Zu vgl. I§ 1545 ff. RVO.
* Oder dem sonst Verpflichteten, z. B. dem Arbeitgeber bei Erkrankung im Ausland.
* Die Revision ist ausgeschlossen, wenn es sich handelt um: 1. die Höhe des Kranken-, Haus-
oder Sterbegeldes; 2. Unterstützungsfälle, in denen der Kranke nicht oder weniger als acht Wochen
arbeitsunfähig war; 3. Wochenhilfe; 4. Familienhilfe; 5. Abfindung; 6. Kosten des Verfahrens.
Zu vgl. 88 1780 ff. RVO.