Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

502 Ludwig Laß. 
4. Vertrauensmänner, die je zur Hälfte aus den versicherten Angestellten und 
ihren Arbeitgebern gewählt werden 1. 
Die Vertrauensmänner wählen außerdem die Beisitzer für die höheren rechtsprechenden 
Instanzen (die Schiedsgerichte und das Oberschiedsgericht); für die Wahlen ist der Grundsatz 
der Verhältniswahl vorgesehen . 
II. Das Direktorium vertritt die Reichsversicherungsanstalt gerichtlich und außer- 
gerichtlich. Außer den Mitgliedern des Direktoriums sind in der Verwaltung der Reichs- 
versicherungsanstalt noch höhere Beamte tätig, die vom Kaiser auf Vorschlag des Bundesrats 
auf Lebenszeit ernannt werden, ferner eine größere Zahl anderer Angestellten (namentlich in 
Bureau und Kanzlei), die vom Direktorium ernannt werden. 
Der Präsident, die beamteten Mitglieder des Direktoriums und die höheren etatsmäßigen 
Beamten haben die Rechte und Pflichten der Reichsbeamten. Ihre Besoldung trägt die Reichs- 
versicherungsanstalt. Die nichtbeamteten Mitglieder im Direktorium und Verwaltungsrat, die 
Beisitzer der Rentenausschüsse und die Vertrauensmänner verwalten ihr Amt als Ehrenamt; 
dabei ist eine Vergütung der Reisekosten und die Gewährung von Tagegeldern nicht aus- 
geschlossen. 
Der Verwaltungsrat hat die Aufgabe, das Direktorium bei wichtigen Beschlüssen 
gutachtlich zu beraten. Außerdem sind ihm gewisse Rechte vorbehalten, wie die Festsetzung des 
Voranschlags und die Abnahme der Rechnungsabschlüsse und der Bilanzen. 
Den Rentenausschüssen liegt neben gewissen Verwaltungsgeschäften (z. B. 
Erteilung von Auskunft in Angelegenheiten der Angestelltenversicherung, Entgegennahme von 
Anträgen auf Heilverfahren) die Rechtsprechung in erster Instanz ob. Zu den mündlichen Ver- 
handlungen werden je ein Versicherungsvertreter der Arbeitgeber und der versicherten An- 
gestellten als Beisitzer zugezogen. Der Geschäftsgang und das Verfahren der Rentenausschüsse 
ist durch die Verordnung des Reichskanzlers vom 14. März 1913 (RGl. S. 103 ff.) geregelt. 
Die Vertrauensmänner sind die örtlichen Organe der Reichsversicherungs- 
anstalt. Sie wirken als Auskunftspersonen in Verwaltung und Rechtsprechung mit und sollen 
auch ohne Auftrag im Interesse der Angestelltenversicherung tätig sein. 
III. Das erhebliche Vermögen der Reichsversicherungsanstalt ist, wie 
das Vermögen der Berufsgenossenschaften und Landesversicherungsanstalten, zum vierten Teil 
in Reichs= und Staatsanleihen, im übrigen verzinslich in mündelsicheren Werten anzulegen. 
Die jährlichen Rechnungsabschlüsse und Berichte der Reichsversicherungsanstalt sind dem 
Reichstage vorzulegen. Dem Rechnungsabschluß ist in Zeitabschnitten von je fünf Jahren eine 
versicherungstechnische Bilanz beizufügen, und jährlich ist eine überschlägige Bilanz aufzustellen. 
Die Rechnungen der Anstalt werden durch den Rechnungshof des Deutschen Reichs geprüft. 
§ 24. Die Leistungen der Angestelltenversicherung. 
I. Gegenstand der Angestelltenversicherung siund Ruhegeld und Hinterbliebenen- 
renten. 
II. Ruhegeld erhalt, wer dauernd erwerbsunfähig ist, oder wer das 65. Lebensjahr 
vollendet hat. Voraussetzung ist, daß die Wartezeit erfüllt und die Anwartschaft aufrechterhalten ist. 
Berufsunfähigkeit ist dann anzunehmen, wenn die Arbeitsfähigkeit auf weniger als die 
Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung 
und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist 3. 
Bei nicht dauernder Berufsunfähigkeit wird das Ruhegeld schon dann gewähr wenn der 
Versicherte während 26 Wochen ununterbrochen berufsunfähig war (sog. Krankei-cuhegeld) 4. 
1 Wahlordnung vom 3. Juli 1912 (Röl. S. 419). 
* Wahlordnung vom 22. Oktober 1912 (Rl. S. 513). 
* Der Begriff der Berufsunfähigkeit ist daher ein weiterer als der Begriff der Invalidität 
auf dem Gebiete der Invalidenversicherung. 
* Zu vgl. die entsprechende Vorschrift für die Invalidenversicherung im § 1255 Abs. 3 RBO.
	        
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