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der Bahnhöfe und Häfen und in einer unauffälligen Uberwachung der Personen, die im Verdacht
stehen, Mädchenhandel zu treiben. Die Polizei hat die private Tätigkeit auf diesem Gebiete zu
unterstützen. Das Zusammenleben miteinander nicht verehelichter Personen (Konkubinate) ist
in den meisten deutschen Einzelnstaaten straflos, die Polizei kann aber auf einer Trennung bestehen,
wenn an einem Konkubinate Anstoß genommen wird.
Literatur: Meyer-Dochow" S. 175; O. Mayer, Wörterb. d. Verwaltungs-
rechts (1890) 2, 455; v. Lilienthal, Handb. d. Politik 2, 534; Wolzendorff, Polizei
und Prostitution 1911.
2. Vereine und Versammlungen.
§ 3. Unmittelbar nach der Reichsgründung setzten mit dem Hinweis auf Art. 4 Ziff. 16 der
Reichsverfassung, wonach das Vereinswesen der Beaufsichtigung und Gesetzgebung des Reiches
unterliegt, die Bestrebungen zur Vereinheitlichung des deutschen Vereins- und Versammlungsrechts
ein. Wenn auch im Laufe der Jahre verschiedene reichsrechtliche Bestimmungen erlassen wurden,
so kam es zu einer einheitlichen Regelung doch erst durch das Vereinsgesetz (cit. RVG.) vom 19.
April 1908 (RGBl. S. 151), das am 15. Mai 1908 in Kraft trat.
Neben dem RVG., das abgesehen von einer Anderung des BG die öffentlichrechtliche Seite
des Vereinsrechts regelt, haben folgende öffentlichrechtliche Bestimmungen des Reichsrechts Gel-
tung behalten:
Wahlgesetz f. d. Deutsche Reich vom 31. Mai 1869 5 17 (Abs. 2 wurde durch R.
23 aufgehoben); RStrGB. §§& 110, 111, 115, 116, 124, 125, 127, 128, 129; Reichsmilitär-
gesetz vom 2. Mai 1874 F 49 Abs. 2; Milit StrG B. vom 2. Mai 1874 585 6, 92, 93, 101, 113;
Wt“t betr. den Orden der Gesellschaft Jesu, vom 4. Juli 1872; GewO. 88 152, 153, 154 a
. 1.
Reichsdeutsche haben das Recht, sich zu Vereinen zusammenzuschließen und Versammlungen
abzuhalten (RVG. 81). Vereine und Versammlungen — das RVG. bestimmt diese Begriffe nicht
— sind Verbindungen mehrerer Personen zur Verfolgung gemeinsamer Zwecke. Vereine sind für
die Dauer bestimmt, Versammlungen sind Augenblicksverbände (Gaenel, Deutsch. Staatsrecht
1, 147; Friedenthal S. 18, Anschütz 1, 531). Der Zusammenschluß erfolgt freiwillig
(Meyer-Dochow S. 161 Anschütz 1, 531). Die vereinspolizeilichen Befugnisse regeln
das RWVG. und die angeführten Reichsgesetze; landesrechtliche Bestimmungen über die Sorge der
Polizei für Leben und Gesundheit der Teilnehmer (sicherheits- und gesundheitspolizeiliche, ins-
besondere bau= und seuchen-polizeiliche Vorschriften) haben ihre Gültigkeit behalten. Die Polizei-
stunde findet keine Anwendung auf Vereine und Versammlungen (u. a. Stier-Somlo,
Anschütz, Friedenthal, Lindenberg, Meyer-Dochow " S. 162 8; anderer
Meinung: Delius S. 183; Wolzendorff, Pr. VerwBl. 32, 614). Für Ausländer gelten
ebenfalls die Bestimmungen des RWVG., die Polizei ist ihnen gegenüber nicht auf das Reichsrecht
beschränkt. Durch ihr Vorgehen Ausländern gegenüber darf die Polizei aber die Rechte der Reichs-
deutschen nicht berühren. Ausnahmen bestehen nicht mehr für Frauen, wohl aber für Personen
unter 18 Jahren. Sie dürfen nicht Mitglieder politischer Vereine sein, nur an deren rein gesell-
schaftlichen Veranstaltungen teilnehmen und sind vom Besuche öffentlicher politischer Versamm-
lungen ausgeschlossen (RVG. F 17). Militärpersonen ist die Teilnahme an politischen Vereinen
und Versammlungen untersagt, Beamte haben zu unterlassen, was sich mit ihrer amtlichen Stellung
nicht verträgt. Das Koalitionsrecht (GewpO. §§ 152, 153) wird durch das RVG. nicht berührt, des-
gleichen nicht die landesrechtlichen Bestimmungen über die kirchlichen und religiösen Vereine und
Versammlungen, die Ausnahmebestimmungen für die Zeiten der Kriegsgefahr, des Kriegs, des Be-
lagerungszustandes oder innerer Unruhen, über die Verabredungen ländlicher Arbeiter und Dienst-
boten zur Einstellung oder Verhinderung der Arbeit und über die Sonn= und Festtagsruhe (RVG.
§#24). Juristischen Personen ist das Recht, sich zu Vereinen zusammenzuschließen, durch das RVG.
nicht gewährleistet.
Die Auflösung eines Vereins kann erfolgen, wenn sein Zweck den Strafgesetzen zuwider-
läuft. Die Auflösungsverfügung kann im Wege des Verwaltungsstreitverfahrens oder des Re-
kurses angefochten werden (RVG. F 2).