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Zwecke auf Verkehrswegen, die im Gemeindegebrauch stehen, bewegen (auch außerhalb der Ort-
schaften und auch auf Gewässern). Das Bewegungsmittel ist nicht ausschlaggebend. Die Landes-
zentralbehörde kann bestimmen, wann Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge nicht
der Genehmigung, sondem nur der Anzeige oder der öffentlichen Bekanntmachung bedürsen. Ge-
wöhnliche Leichenbegängnisse und Hochzeitszüge bedürfen, wo sie hergebracht sind, keiner Anzeige
oder Genehmigung (RVG. F§ 9). Ein Leichenbegängnis ist als außergewöhnliches anzusehen, wenn
mit ihm eine politische Demonstration verbunden werden soll (rote Fahnen, Kranzschleifer mit
außergewöhnlichen Aufschriften, Laienreden politischen Inhalts).
Der Veranstalter (iner öffentlichen politische Versammlung kann iyre Leitung selbst über-
nehmen, einen Leiter bestimmen oder ihn durch die Versammlung wahlen lassen. Der Leiter hat
den Verlauf der Versammlung zu regeln, für Ruhe und Ordnung zu sorgen und kann die Versamm-
lung auflösen. Die Teilnahme an öffentlichen Versammlungen hat unbewaffnet zu erfolgen. Die
Verhandlungen sind in deutscher Sprache zu führen (RVG. F 12; ausgenommen von dieser Vor-
schrift sind intemmiationale Kongresse und Wahlversammlungen; weitergehende Ausnahmen regelt
die Landesgesetzgebung, insbesondere trifft sie die Bestimmungen über den Mitgebrauch der nicht-
deutschen Sprache für die ersten zwanzig Jahre nach dem Inkrafttreten des RVG. auf Grund des
l 12 Abs. 2.).
Zur Uberwachung kann die Polizeibehörde zwei Beauftragte entsenden, denen ein ange-
messener Platz angewiesen werden muß, und zwar in jede öffentliche Versammlung (RVG. F 13),
auch in die Versammlungen, die (nach RVG. 86 Abs. 2 und 3) einer Anzeige richt bedürfen (anderer
Meinung: Anschütz 1, 520; Friedenthalöbg; Delius 367). Die Beauftragten haben die
Versammlung zu überwachen und nötigenfalls aufzulösen. Diese Tätigkeit verlangt den nötigen
Takt, was bei der Auswahl der Beauftragten zu berücksichtigen ist. Nach Auflösung einer Ver-
sammlung sind die Anwesenden verpflichtet, sich sofort zu entfernen.
Literatur: Meyer-Dochow, Deutsches Verwaltungsrecht"“ S. 160; Anschütz
Kommentar z. preuß. Verfassungsurkunde (1912) 1, 518; Loening, Art. Vereins- und Ver-
sammlungsfreiheit, Handwörterb. d. Staatsw. (1911)2 8, 152; Jolly, Art. Vereine und Ver-
sammlungen, Wörterb. d. deutsch. Verwaltungsr. 2, 666; Müller-Meiningen, Vereins= und
Versammlungsrecht, Handb. d. Politik 1, 250. — Ubersichten über die reichhaltige Literatur des
Vereins= und Versammlungsrechts enthalten die zahlreichen Kommentare zum RVG., von denen
namentlich zu nennen sind: Delius (1912)5; Friedenthal (1908); Hieber-Bazille
(1908); Lindenberg in Stengleins Nebengesetzen“ 1, 11! Müller-Schmid (1908);
Romen (1908); v. Sartor (1908); Stier-Somlo (1909, enthält den Wortlaut der
landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen).
3. Presse.
#s 4. Das Recht der freien Meinungsäußerung in Druckschriften unterliegt nur den Be-
schränkungen, die das Gesetz über die Presse vom 7. Mai 1874 (REl. S. 65) vorgeschrieben
oder zugelassen hat. Druckschriften sind Erzeugnisse der Buchdruckerpresse und alle anderen
durch mechanische oder chemische Mittel bewirkten, zur Verbreitung bestimmten Vewielfältigungen
von Schriften und bildlichen Darstellungen und von Musikalien mit Text oder Erläuterungen
(Pr G. § 2). Mit dieser Bestimmung hat das Pr. allen technischen Entwicklungsmöglichkeiten
Rechnung getragen.
1. Die Ausübung eines Preßgewerbes untersteht den Bestimmungen der GewO. Ein
Preßgewerbe betreiben nach § 14 GewO. die Buch= und Steindrucker, Buch= und Kunsthändler,
Antiquare, Leihbibliothekare, Inhaber von Lesekabinetten, Verkäufer von Druckschriften,
Zeitungen und Bildern, außerdem die von der GewO. nicht aufgeführten Verkäufer von
Photographien, Ansichtskarten und Heiligenbildern. Das Preßgewerbe gehört nicht zu den
konzessionspflichtigen Gewerben, es bedarf aber neben der für alle Gewerbe vorgeschriebenen
Anzeige einer besonderen über das Lokal, in dem es betrieben werden soll. Eine Entziehung
der Befugnis zum Gewerbebetrieb kann nicht erfolgen (Pr G. § 4). Auf jeder Druckschrift muß
(PrG. § 6) der Name und Wohnort des Druckers und, wenn sie für den Buchhandel oder sonst
zur Verbreitung bestimmt ist, der Name und Wohnort des Verlegers, oder beim Selbstvertrieb
der Druckschrift des Verfassers oder Herausgebers genannt sein. An Stelle des Namens kann