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Seuche handelt, von der in erster Linie Menschen oder Tiere befallen werden. Ihre gemein-
same Darstellung ist dadurch gerechtfertigt, daß auch die Bekämpfung der Tierseuchen im Interesse
der menschlichen Gesundheit erfolgt, und daß die Maßregeln gegen beide Arten von Seuchen
im wesentlichen die gleichen sind.
Literatur: Meyer-Dochow, Deutsches Verwaltungsrecht“ S. 182; Fraenkel,
Art. Übertragbare Krankheiten, Handwörterb. d. Staatsw. 8, 8; Flesch, Art. Offentliche Ge-
sundheitspflege, Handwörterb. d. Staatsw. 4, 7409; Kirchner, Die gesetzlichen Grundlagen
der Seuchenbekämpfung im Deutschen Reiche 1907. — Kommentar zum Seuchengesetz von Ga
in Stengleins Nebengesetzen" 1, 672.
a) Die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten der Menschen
besteht in einer Regelung des Verkehrs im Reich und gegebenenfalls in seiner Absperrung gegen
das Ausland. Um der Einschleppung von Krankheiten aus dem Auslande wirksam entgegen-
treten zu können, hat das Reich mit anderen Staaten Vereinbarungen getroffen, die sich auf
den Verkehr mit den Nachbarstaaten an den Landesgrenzen und an den Küsten und auf die
Bekämpfung von Seuchen in ihren Ursprungsländern beziehen. Die reicherechtliche Grundlage
für die gesundheitspolizeilichen Maßregeln im Inlande bildet das Gesetz vom 30. Juni 1900,
das durch reichs- und landesrechtliche Ausführungsbestimmungen ausgeführt und erweitert ist.
Das Reichsgesetz sieht eine Anzeigepflicht vor für Erkrankungen und Todesfälle an Aussatz
(Lepra), Cholera (asiatische), Fleckfieber (Flecktyphus), Gelbfieber, Pest (orientalische Beulen-
pest), Pocken (Blattern). Außerdem muß jeder verdächtige Fall unverzüglich angezeigt werden.
Die Anzeigepflicht kann auch auf andere Krankheiten ausgedehnt werden. So verlangen z. B.
alle Staaten die Anzeige von Diphtheriefällen, einzelne die von Masern-, Lungentuberkulose-,
Kindbettfieberfällen usp. Die Ermittelung der Krankheit erfolgt in der Regel durch den be-
amteten Arzt, es kann auch angeordnet werden, daß olle Leichen vor der Bestattung einer
amtlichen Besichtigung unterworfen werden. Die Schutzmaßregeln gegen die Verbreitung
einer ansteckenden Krankheit bestehen im wesentlichen in einer Beschränkung des Verkehrs
(Beobachtung oder Absonderung kranker oder ansteckungsverdächtiger Personen, Einschränkung
der Freizügigkeit, Beschränkung der Wassernutzung, Einschränkung des Schulunterrichts,
Anordnung von Desinfektionen usw.).
Für Geschlechtskrankheiten besteht keine Anzeigepflicht, dagegen kann gegenüber Personen,
die gewerbsmäßig Unzucht treiben, ein Behandlungszwang eintreten (vol. Sittenpolizei).
Eine nachdrückliche Bekämpfung der Pocken verfolgt das Impfgesetz für das Deutsche
Reich vom 8. April 1874. Jedes Kind muß vor Ablauf des auf sein Geburtsjahr folgenden
Kalenderjahres geimpft werden. Die Impfung ist innerhalb des Jahres, in dem das zwölfte
Lebensjahr vollendet wird, zu wiederholen. Der zuständige Impfarzt entscheidet darüber, ob
aus gesundheitlichen Gründen die Impfung unterbleiben darf. Durch Ausstellung eines Impf-
scheines wird bescheinigt, daß durch die Impfung der gesetzlichen Pflicht genügt ist, oder daß
sie wiederholt werden muß. Werden Kinder ohne gesetzlichen Grund und trotz amtlicher Auf-
forderung der Impfung oder der ihr folgenden Vorstellung entzogen, so erfolgt Bestrafung
der Personen, die nach dem Gesetz dazu verpflichtet sind, für die rechtzeitige Vornahme der
Impfung zu sorgen. Wenn auch das Impfgesetz nicht ausdrücklich, wie es ursprünglich beab-
sichtigt war, als Impfzwangsgesetz bezeichnet ist, so nimmt es doch nicht die Möglichkeit, zwangs-
weise Impfungen vorzunehmen; bei fortgesetztem Ungehorsam kann fortgesetzte Bestrafung
und schließlich, wo es die landesgesetzlichen Bestimmungen, die durch das Reichsgesetz nicht
aufgehoben sind, zulassen, zwangsweise Vorführung des Impflings erfolgen. (Vgl. ebenso
Fleiner : S. 196 /; Laband "3, 253; Meyer-Dochow'“ F+. 42 u.)
Militärpflichtige Personen werden nach ihrer Einstellung in das Heer oder die Marine
auf Grund der Friedenssanitätsordnung vom 16. Mai 1891 geimpft. Die Impfung ausländischer
Arbeiter kann angeordnet werden.
Literatur: Meyer-Dochow, Deutsches Verwaltungsrecht" S. 185; Labands,
Deutsches Staatsrecht 4 3, 352. — Kommentar zum Impfgesetz von Galli in Stengleins Neben-
gesetzen " 1, 618.
b) Die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten der Tiere erfolgt
unter den gleichen Gesichtspunkten wie die der Menschen. Das Viehseuchengesetz vom 26. Juni