Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

Sicherheits- und Sittenpolizei. Gesundheitspolizei. Offentliche Armenpflege. 531 
1909 bildet neben dem Rinderpestgesetz vom 7. April 1869 die reichsrechtliche Grundlage für die 
im Inlande zu ergreifenden Maßnahmen. Das Viehseuchengesetz bestimmt die Seuchen, für 
die eine Anzeigepflicht besteht, es sind dies u. a.: Milzbrand, Tollwut, Rotz, Maul= und Klauen- 
seuche, Lungenseuche des Rindviehs. Die Anzeigepflicht kann auf andere Seuchen ausgedehnt 
werden. Die Ermittelung der Seuche erfolgt in der Regel durch den beamteten Tierarzt, der 
verdächtige Tiere einsperren und absondern läßt, sie impft, Blutproben entnimmt oder, wenn 
es ihm nötig erscheint, die Tiere tötet und zerlegt, um das Vorhandensein der Seuche feststellen 
zu können. Bei den Schutzmaßregeln handelt es sich im wesentlichen um eine Einschränkung 
des Verkehrs. Von allgemeinen Maßregeln seien erwähnt: Einschränkung des Verkehrs auf 
öffentlichen Wegen, Uberwachung der Molkereien, Viehmärkte, Schlachthöfe, Abdeckereien usw. 
Zum Schutze gegen einzelne Seuchen dienen außerdem noch: polizeiliche Uberwachung der 
Tiere, Beschränkung des Personenverkehrs in den Stallungen, Verbot oder Beschränkung des 
Handels mit Tieren, Einschränkung des gemeinsamen Weideganges, Sperre der Ställe, Ge- 
höfte, Ortschaften und Gemarkungen, Reinigung und Desinfektion, Einstellung oder Be- 
schränkung der Viehmärkte. öffentliche Bekanntmachung des Ausbruchs und des Elrlöschens 
der Seuche. 
Die Zahl der zu ergreifenden Maßregeln ist groß, es wird von den ausführenden Organen 
erwartet, daß sie unnötige Anordnungen vermeiden, um den Wirtschaftsbetrieb nicht zu sehr 
zu beeinträchtigen. 
Gegen die Einschleppung von Seuchen kommen Einfuhwerbote, Beschränkungen im 
Grenzverkehr, Revisionen und Kontrollen des Viehbestandes zur Anwendung. 
Literatur: Meyer-Dochow,' Deutsches Verwaltungsrecht"“ S. 190; Laband, 
Deutsches Staatsrecht“ 3, 258. — Kommentar zum Viehseuchengesetz von Ebermaver in 
Stengleins Nebengesetzen" 1, 852. . 
2. Nahrungsmittelpolizei. 
§ 8. Die reichsrechtliche Grundlage für die Tätigkeit der Polizei in der ÜUberwachung 
des Verkehrs mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchs- 
gegenständen bietet das Gesetz vom 14. Mai 1879, außerdem einige unwesentliche kaiser- 
liche Verordnungen und mehrere Spezialgesetze. Die Polizei ist befugt, während der üblichen 
Geschäftsstunden in die Räumlichkeiten einzutreten, in denen Nahrungsmittel, Genußmittel 
und Gebrauchsgegenstände feilgehalten werden. Sie kann von diesen Gegenständen dort, wo 
sie feilgehalten werden, also auch auf Märkten, Straßen oder im Umherziehen, Proben zur 
Untersuchung gegen Empfangsbescheinigung und gegen Entschädigung entnehmen. Revisionen 
dürfen nur bei Personen vorgenommen werden, die wegen Ubertretung des Gesetzes von 1879 
bestraft sind, und zwar bis zum Ablauf von drei Jahren, nachdem die Freiheitsstrafe verbüßt, 
verjährt oder erlassen ist. 
Weitergehende Beschränkungen des Verkehrs mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und 
Gebrauchsgegenständen brachten die Spezialgesetze. Danach ist es verboten, gesundheitsschädliche 
Emaillen und Glasuren, deren Bestandteile im Gesetz vom 25. Juni 1887 näher bezeichnet sind, 
bei der Herstellung blei= und zinkhaltiger Eß-, Trink-, Kochgeschirre und Spielsachen zu ver- 
wenden. Es ist fermer verboten, bei der Herstellung von Umhüllungen von Nahrungs- und 
Genufmitteln, kosmetischen Mitteln, Spielwaren, künstlichen Blumen usw. gesundheitsgefähr- 
liche Farben zu verwenden, über deren Zusammensetzung das Gesetz vom 5. Juli 1887 nähere 
Bestimmungen enthält. Bei Herstellung von Zündhölzern und anderen Zündwaren darf nach 
dem Gesetz vom 10. Mai 1903 weißer und gelber Phosphor nicht verwendet werden. Das 
Gesetz vom 15. Juni 1897 regelt den Verkehr mit Butter, Käse, Schmalz und deren Ersatz- 
mitteln. Herstellung und Verkauf von Margarine und Kunstspeisefett unterliegen weitgehen- 
den Beschränkungen. Die Geschäfts- und Verkaufsräume müssen nach Möglichkeit getrennt 
gehalten werden und durch in die Augen fallende Aufschriften gekennzeichnet sein; letzteres gilt 
auch von den Fässern, Umhüllungen und der Ware, die im Einzelverkauf abgesetzt wird. Das 
Gesetz vom 3. Juni 1900 regelt die Schlacht- und Fleischbeschau. Es schreibt eine amtliche Unter- 
suchung der Schlachttiere vor und nach der Schlachtung vor. Bei Hausschlachtungen können beide 
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