Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

534 F. Dochow. 
in absehbarer Zeit nicht wiederkehren wird. Die vorläufige Unterstützungspflicht erstreckt sich 
nicht nur auf Deutsche, die dem Geltungsgebiet des UWG. angehören, sondern auch auf Aus- 
länder. Als mittel bar hilfsbedürftig ist ein Familienhaupt dann anzusehen, wenn 
ein hilfsbedürftiges Familienmitglied unterstützt werden mußte. Die mittelbare Hilfsbedürftig- 
keit ist nur für die Bestimmung des endgültig verpflichteten Armenverbandes von Bedeutung; 
das betreffende Familienhaupt gilt aber dann als unterstützt. 
Da nach § 61 UWG. Rechte und Verbindlichkeiten nur zwischen den verpflichteten Ver- 
bänden begründet werden, hat der einzelne kein Recht auf Armenunterstützung (Fleiner 2 S. 158: 
Der einzelne besitzt gegen die öffentliche Verwaltung lediglich den allgemeinen Anspruch, daß 
das Gesetz vollzogen werde). Der Hilfsbedürftige kann den Rechtsweg nicht beschreiten, er kann 
seinen Anspruch nur durch Beschwerde bei den Verwaltungsbehörden geltend machen. 
Das RG., betr. die Einwirkung von Armenunterstützung auf öffentliche Rechte, vom 
15. März 1909 (Röl. S. 319), bestimmt, daß, soweit in Reichsgesetzen der Verlust öffentlicher 
Rechte von dem Bezug einer Armenunterstützung abhängig gemacht wird, als Armenunter- 
stützung nicht anzusehen sind: 1. die Krankenunterstützung; 2. die einem Angehörigen wegen 
körperlicher oder geistiger Gebrechen gewährte Anstaltspflege; 3. Unterstützungen zum Zwecke 
der Jugendfürsorge, der Erziehung oder der Ausbildung für einen Beruf; 4. sonstige Unter- 
stützungen, wenn sie in der Form vereinzelter Leistungen zur Hebung einer augenblicklichen 
Notlage gewährt sind; 5. Unterstützungen, die erstattet ind. 
II. Die Organe der öffentlichen Armenpflege sind die Ortsarmenverbände und die 
Landarmenverbände. Ortsarmenverbände sind die Gemeinden und Gutsbezirke. 
Mehrere Gemeinden und mehrere Gutsbezirke, auch Gemeinden und Gutsbezirke können sich 
zu Gesamtarmenverbänden zusammenschließen oder zwangsweise zu solchen zu- 
sammengeschlossen werden, die anderen Armenverbänden gegenüber als Einheit anzusehen 
sind. Die Organe der Ortsarmenverbände sind die zuständigen Organe der Kommunal-- 
verwaltung unter Hinzuziehung geeigneter Hilfskräfte. Landarmenverbände sind 
entweder die Staaten selbst oder besonders abgegrenzte Verbände, die sich ihrem Umfang nach 
meistens mit dem der Provinzen oder Kreise decken. In der Verfolgung ihrer Rechte stehen die 
Orts- und Landarmenverbände einander gleich. Die Armenverwaltung gehört zu den Aufgaben 
der öffentlichen Verwaltung, die Aufsicht erfolgt durch die Kommunalaussichtsbehörden; sie 
ist dementsprechend im Deutschen Reiche nicht einheitlich geregelt. Die Kosten der Armen- 
verwaltung werden, soweit nicht besondere Stiftungen bestehen oder bestimmte Abgaben den 
Armenkassen überwiesen werden, aus dem Ertrage der allgemeinen Abgaben bestritten. Die 
Rückerstattung der für einen Hilfsbedürftigen gemachten Aufwendungen kann gegenüber unter- 
haltungspflichtigen Verwandten, namentlich aber gegenüber Krankenkassen und Invaliden= 
versicherungsanstalten geltend gemacht werden. Einzelne Staaten verlangen auch eine Rück- 
erstattung durch den Hilfsbedürftigen selbst, nachdem sich seine wirtschaftliche Lage hinreichend 
gebessert hat. In einigen Staaten können Personen, die aus öffentlichen Mitteln unterstützt 
werden, zwangsweise in einer geeigneten Anstalt untergebracht werden, wo sie (vgl. preuß. 
AG. z. UWG. § 1 a) für Rechnung des Armenverbandes die ihnen zugewiesenen Arbeiten nach 
dem Maße ihrer Kräfte zu verrichten haben. Aus dem Arbeitsverdienst sind zunächst die Kosten 
der Unterbringung zu decken, aus dem Uberschuß ist die Unterstützung zu bestreiten, die den An- 
gehörigen des Untergebrachten gewährt wird; der verbleibende Rest ist bei der Entlassung aus- 
zuhändigen. 
In erster Linie ist der Ortsarmenverband unterstützungspflichtig. Die Landarmenverbände 
haben die endgültige Armenlast für die Landarmen zu tragen, für die kein Ortsarmenverband 
verpflichtet ist. Ausländer und Personen, die aus dem Auslande übernommen werden müssen, 
sind durch die Bundesstaaten zu unterstützen. Die meisten Staaten haben diese Verpflichtung 
auf die Armenverbände übertragen. Die Landesgesetze bestimmen, wie weit die Landarmen- 
verbände nicht leistungsfähigen Ortsarmenverbänden Zuschüsse zu gewähren, und wie weit sie 
ihnen die Sorge für Geisteskranke, Sieche, Taubstumme usw. abzunehmen haben. 
Jeder Hilfsbedürftige wird vorläufig durch den Ortsarmenverband unterstützt, in dessen 
Bezirk die Hilfsbedürftigkeit eingetreten ist. Hatte der Hilfsbedürftige dort seinen Unterstützungs- 
wohnsitz nicht, so erfolgt Rückerstattung der Kosten durch den Ortsarmenverband des Unter-
	        
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