Sicherheits- und Sittenpolizei. Gesundheitspolizei. Offentliche Armenpflege. 535
stützungswohnsitzes oder durch den Landarmenverband. Ist die Hilfsbedürftigkeit eine dauermde,
so hat der vorläufig unterstützende Armenverband den Anspruch auf Übernahme des Hilfs-
bedürftigen durch den endgültig verpflichteten Armenverband oder, wenn es angemessener er-
scheint, von einer Uberführung abzusehen, auf Erstattung der ihm entstehenden Kosten. Wenn
Personen, die an einem Orte mindestens eine Woche hindurch gegen Lohn oder Gehalt in dem-
selben Dienstverhältnis gestanden haben, während der Fortdauer dieses Dienst= oder Arbeits-
verhältnisses oder innerhalb einer Woche nach seiner Beendigung erkranken, so hat der Orts-
armenverband des Dienst= oder Arbeitsortes die Kosten der erforderlichen Kur und Verpflegung
für die ersten sechsundzwanzig Wochen nach dem Beginn der Krankheit endgültig zu tragen oder
zu erstatten.
Streitigkeitern über die öffentliche Unterstützung zwischen Armenverbänden werden
nach Landesrecht durch die Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichte entschieden. Streitig-
keiten zwischen Armenverbänden verschiedener Staaten (interterritoriale Sachen) werden in
letzter Instanz durch das Bundesamt für das Heimatwesen entschieden (WG. §§ 38—52). Nur
soweit die Organisation oder örtliche Abgrenzung der einzelnen Armenverbände Gegenstand des
Streites ist, bewendet es endgültig bei der Entscheidung der höchsten landesgesetzlichen Instanz.
Die Einzelstaaten können bestimmen, daß die Entscheidung über Streitigkeiten zwischen Armen-
verbänden desselben Staates in letzter Instanz dem Bundesamte übertragen wird. Dies ist
unter anderem in Preußen und Hessen geschehen.
Literatur: Meyer-Dochow“ S. 116; Laband“ 1, 187; Krech, Art. Armengesetgebung
in Deutschland, Handw. d. Staatsw.2 2, 30; Münsterberg, Armenwesen, Wörterbuch d. Staats-
und Verwaltungsr." 1, 189. — Kommentar zum Gesetz über den Unterstützungswohnsitz (#UW G.):
Eger" 1909; Krechs 1913; — Wohlers-Krech 1913. — Entscheidungen des Bundesamts
für das Heimatwesen, herausgegeben von Baath, früher von Krech, z. Z. 46 Bände; Brunn,
Die Rechtsprechung des Bundesamts für Heimatwesen, 1908
IV. Unterrichtsverwaltung.
§ 10. Die Unterrichtsverwaltung trägt die Sorge für eine zweckentsprechende Aus-
gestaltung und Durchführung des gesamten Unterrichts. Jedes Kind hat, soweit es seine Ge-
sundheit erlaubt, ein Mindestmaß von Kenntnissen zu erwerben. In ihnen muß es unterrichtet
werden (Unterrichtszwang). Die Möglichkeit, ein Kind diese grundlegenden Kenntnisse
im schulpflichtigen Alter erwerben zu lassen, bietet sich in und außerhalb der Volks-
schule. Der Zwang, ein Kind eine öffentliche Volksschule besuchen zu lassen (Schul-
zwang,), tritt erst dann ein, wenn von anderen, mindestens gleichwertigen Unterrichtsmöglich-
keiten innerhalb oder außerhalb des Hauses kein Gebrauch gemacht wird. Der Schulbesuch kann
dann mit allen der Verwaltung zu Gebote stehenden Mitteln erzwungen werden. Vom privaten
Unterricht wird, wenn er den Besuch einer Volksschule ersetzen soll, verlangt, daß mindestens das
gelehrt wird, was die öffentliche Volksschule bieten will. Aufgabe des Staates ist es deshalb,
für das Vorhandensein einer hinreichenden Anzahl von Volksschulen zu sorgen und den Privat-
unterricht zu beaufsichtigen, damit seine Leistungen hinter denen der Volksschule nicht zurück-
bleiben. Private Anstalten, deren Unterricht vom Besuche der Volksschule befreien soll, be-
dürfen der Genehmigung, die zurückgenommen werden kann, wenn die Anordnungen der
Aussichtsbehörde nicht befolgt werden. Der Staat bestimmt, welche Anforderungen an den Unter-
nehmer und die Lehrkräfte zu stellen sind. Der private Einzelunterricht kann von einer Ge-
nehmigung oder Anzeige abhängig gemacht werden. Besonderen Bestimmungen unterliegt der
Unterricht der Religionsgesellschaften. Die gewerbsmäßige Erteilung von Tanz-, Turn= und
Schwimmunterricht kann (Gew O. 35) ungeeigneten Personen untersagt werden.
Literatur: Meyer-Dochow, Deutsches Verwaltungsrecht" S. 203; Loening, Deutsches
Verwaltungsrecht S. 733; Lexis, Das Unterrichtswesen des Deutschen Reiches 4 Bde. 1904;
Petersilie, Das öffentliche Unterrichtswesen im Deutschen Reiche. 1897. — Das Unterrichts-
wesen entbehrt im Deutschen Reiche der Einheitlichkeit, es konnte hier auf beschränktem Raume
nur versucht werden, das den verschiedenen Systemen der Einzelstaaten Gemeinsame zu erwähnen.